Verborgene Probleme: Die unerwartete Krise bei der psychischen Gesundheit der japanischen Jugend

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Die Jugend in Japan hat aufgrund akademischen Drucks, sozialer Normen, Mobbing und mangelnder Unabhängigkeit mit psychischen Problemen zu kämpfen. Darüber hinaus ist in Japan ein besorgniserregender Trend zu beobachten: Die Selbstmordrate unter den unter 20-Jährigen steigt. Leider wird diese Krise durch die Stigmatisierung von psychischen Problemen, die in Japan vorherrscht, und eine kulturell bedingte Abneigung der Japaner, sich Hilfe zu suchen,  nur verschärft. 

Ein Blick auf die psychischen Probleme der japanischen Jugend

In Japan werden Kinder im Allgemeinen zu schulischen Höchstleistungen angespornt, allerdings wirkt sich der daraus resultierende Druck negativ auf ihr emotionales Wohlsein aus. Trotz einer unterdurchschnittlichen Armutsquote und einer der stärksten Volkswirtschaften der Welt leiden japanische Kinder unter geringem Selbstvertrauen, was Bildungsexperten auf Mobbing und den intensiven Wettbewerb um Studienplätze zurückführen. 

Viele Kinder sind nicht selbstständig genug, weil ihre Eltern sie aufgrund des akademischen Leistungsdrucks in der Schule von spielerischen Aktivitäten zurückhalten. In Japan begleiten die Eltern beispielsweise ihre 18-jährigen Kinder oft zur Hochschule, weil sie sich Sorgen um deren Sicherheit und Wohlergehen machen. Dies könnte einer der Gründe dafür sein, dass 90 % der 15-jährigen Kinder in den Niederlanden ihre Lebenszufriedenheit mit 6 von 10 oder mehr Punkten bewerten, während dies nur 62 % der japanischen Kinder tun (Hori T, 2022).

Wie viele andere Industrieländer und Gesellschaften hohen Einkommens hat auch Japan unter seinen Heranwachsenden einen sozialen Rückzug erlebt. Als „hikikomori“ werden Personen bezeichnet, die virtuelle Welten dem realen Leben vorziehen und sich über längere Zeiträume zu Hause einbunkern.

Psychologen sind der Ansicht, dass der soziale Rückzug von Jugendlichen häufig mit unsicherer Bindung zusammenhängt, was darauf hindeutet, dass sich diese Menschen in ihren jungen Jahren nicht sicher gefühlt haben könnten. Während die elterliche Unterstützung für eine sichere Bindung unerlässlich ist, kann übermäßiger Schutz die Autonomie des Kindes einschränken.

Dieses Problem hat sich durch die Corona-Pandemie, mit der 2020 die ganze Welt zu kämpfen hatte, noch verschärft. Darüber hinaus zeigt ein auf OECD-Daten basierter UNICEF-Bericht aus dem Jahr 2021, der Faktoren analysiert, die sich auf das Wohlsein von Kindern in wohlhabenden Ländern auswirken, dass japanische Kinder zu denjenigen gehören, die sich am wenigsten zutrauen, Freundschaften zu schließen; nur chilenische Kinder schneiden noch schlechter ab (Kyodo News, 2020).

Daher ist es wichtig, Jugendlichen, die eine unsichere Bindung erlebt haben, frühzeitig zu helfen und sie zu unterstützen, um so dazu beizutragen, den sozialen Rückzug zu verhindern und anzugehen(Li MH T et al., 2015).

Spezifische Daten rund um Trends im Bereich psychische Gesundheit

In dem oben erwähnten Bericht von UNICEF und OECD mit dem Titel „Worlds of Influence: Understanding What Shapes Child Well-being in Rich Countries“ belegten japanische Kinder unter 38 Ländern den ersten Platz für körperliche Gesundheit, aber Platz 37 in Bezug auf ihr psychisches Wohlbefinden. Laut einer UNESCO-Umfrage aus dem Jahr 2020 waren außerdem 40 % der Japaner mit ihrem Leben unzufrieden (Hori T, 2022). 

Laut dem Global Youth Wellbeing Index (ein Tool, welches das Wohlbefinden junger Menschen in verschiedenen Ländern misst und vergleicht) glaubt die Jugend Japans außerdem nicht, dass ihr Lebensstandard besser sein wird als der ihrer Eltern. Trotz des Spitzenplatzes, den Japan bei den Indikatoren zu Sicherheit bezüglich des Wohlergehens junger Menschen einnimmt, befürchten 35 % aller Kinder, in der Schule oder am Arbeitsplatz Belästigungen, Gewalt oder Mobbing ausgesetzt zu werden (International Youth Foundation, n.d.). 

Das Land sieht sich mit einem besorgniserregenden Trend konfrontiert, denn laut Nippon (2020) ist die Zahl der Selbstmorde bei den unter 20-Jährigen die höchste seit 2000. Laut dem Bericht aus dem Jahr 2020 zur Suizidprävention des Ministeriums für Gesundheit, Arbeit und Soziales sind die Probleme der Kinder in Bezug auf Schule, Gesundheit und Familie die Hauptfaktoren, die zu diesem Trend beitragen. 

Ähnlich wie in Südkorea ist die Zahl der Selbstmorde bei den unter 20-Jährigen gestiegen, wie aus den Daten des Ministeriums für Gesundheit, Arbeit und Soziales von 2015 hervorgeht (Nippon, 2022). In Japan reagieren Teenager oft passiv auf und sind unempfänglich für die belastenden sozialen Normen, denen sie ausgesetzt sind. Außerdem werden Kinder von klein auf mit einer übermäßigen Menge an Hausaufgaben belastet, da dies ein wesentlicher Bestandteil ihrer Erziehung ist.

Das anhaltende Stigmatisierung der psychischen Gesundheit in Japan

In Japan ist die Zahl der gemeldeten psychischen Erkrankungen traditionell niedrig. Einige Experten vermuten allerdings, dass dies auf kulturelle Faktoren zurückzuführen sein könnte, die Menschen davon abhalten, bei emotionalen Problemen Hilfe zu suchen. Psychische Erkrankungen werden in der japanischen Kultur oft als Zeichen von Schwäche angesehen, und Menschen mit neurologischen Störungen werden eher als willensschwach wahrgenommen, als dass sie an einer diagnostizierbaren Krankheit leiden. 

Infolgedessen bleiben viele Fälle von psychischen Erkrankungen unbemerkt und werden nicht gemeldet, und die Familien holen sich aufgrund des Stigmas, das die psychische Gesundheit umgibt, oft keine professionelle Hilfe. Um dieses Stigma abzubauen, haben einige Psychologen damit begonnen,  neutralere Begriffe für psychische Störungen zu verwenden, wie z. B. in eine “Koordinationsstörung”. Dies könnte dazu beitragen, negative Assoziationen abzubauen und mehr Menschen zu ermutigen, sich Hilfe für ihre psychischen Probleme zu holen(Kirk E, 2021).

Trotz einiger Lösungsansätze hat es die Regierung gelegentlich auch versäumt, Kinder zu schützen, deren Eltern Schwierigkeiten bei der Erziehung oder Versorgung haben, was häufig zu mangelnder Betreuung in Kinderheimen führt. Darüber hinaus kann der Mangel an Kommunikation und Transparenz über ihre Situation nachhaltige Auswirkungen auf diese Kinder haben, vor allem in einer Gesellschaft, in der eine offene Diskussion über persönliche und emotionale Angelegenheiten im Allgemeinen nicht gewünscht ist (Kim C.R., 2019).

Vorbeugende Maßnahmen zur Unterstützung der psychischen Gesundheit Jugendlicher

Zur Unterstützung Jugendlicher empfehlen japanische Psychologen, Eltern und Kindern den Zugang zu psychologischen Gesundheitsdienstleistungen zu erleichtern, um verhaltensbezogene Probleme zu bekämpfen. Sie schlagen vor, die Sozialisierung und Unterstützung von Einzelpersonen zu fördern und proaktiv Hilfe anzubieten.

Ziel ist es, die Kompetenz um psychisches Wohlergehen sowohl bei Jugendlichen als auch bei älteren Menschen zu verbessern und die Aufklärung über psychische Gesundheit in Schulen aufzunehmen. Auch Eltern werden ermutigt, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, da mangelndes Wissen die Situation in den Familien verschlimmern kann (Sammouri N, 2022).

Um dieses Problem zu adressieren, startete die Regierung 2003 eine nationale Kampagne zur Gesundheit von Müttern und Kindern, um Jugendliche mit psychischen Problemen zu unterstützen und die Geburtenrate zu erhöhen. Sie betonen die Bedeutung der Früherkennung durch häufige, gründliche Untersuchungen und fördern die Beteiligung der Eltern, indem sie Gruppenaktivitäten für Familien einrichten, um Kontakte zu knüpfen.

Die Institutionen werden zu einer transparenten Zusammenarbeit ermutigt, um Kindern mehr Chancen zu bieten, die Welt zu entdecken. Außerdem wurde eine kostenlose Telefonberatung eingerichtet, um Missbrauch zu verhindern und gefährdete Mitglieder der Gesellschaft zu unterstützen (Fujisaki K, 2003).

Die sinkenden Geburtenraten in Japan sind ein ständiges Problem, und die Auswirkungen von Kindheitssorgen sind in der gesamten Gesellschaft zu spüren. Die Gesetzgeber sind sich der Dringlichkeit bewusst, die demografische Krise zu bewältigen, da die Zeit knapp wird. Japan ist jedoch nicht das einzige Land, das vor der Herausforderung steht, Kinder bei der Entfaltung ihres vollen Potenzials zu unterstützen; viele Länder haben mit ähnlichen Problemen zu kämpfen. 

Um Kinder zu unterstützen und Gesellschaften zu verbessern, wurde unsere Methodik in mehreren Projekten in Ruanda und Indien mit Hilfe von Life Coaches, Psychologen, Führungskräften und Therapeuten erfolgreich umgesetzt. Wenn Sie uns helfen möchten, denken Sie bitte über eine Spende, eine Patenschaft für ein Kind oder eine ehrenamtliche Tätigkeit bei uns nach.

Geschrieben von Lidija Misic

Übersetzt von Daniel Rottleb

Korrektur gelesen von Katharina Haas

Bibliographie:

Fujisaki Kiyomichi (2003). Measures Taken by the Government for Improving Mental Health of Children. Retrieved from Japan Medical Association at https://www.med.or.jp/english/pdf/2003_10/452_459.pdf, accessed on April 2, 2023.

Hori Tomoyuki (2022). Japanese youth’s mental well-being is a concern as many report low satisfaction levels. Retrieved from The Mainichi at https://mainichi.jp/english/articles/20220629/p2a/00m/0na/031000c, accessed on April 1, 2023.

International Youth Foundation (n.d.). Japan. Retrieved from The Global Youth Wellbeing Index at https://www.youthindex.org/country/japan, accessed on April 1, 2023.

Kim Chang-Ran (2019). The kids aren’t all right: Japan struggles to protect its most vulnerable children. Retrieved from Reuters at https://www.reuters.com/article/us-japan-children-institutions-insight-idUSKCN1ST2U6, accessed on April 1, 2023.

Kirk Eliza (2021). Mental health in Japan: stigma and low inequality. Retrieved from The Borgen Project at https://borgenproject.org/mental-health-in-japan/, accessed on April 1, 2023.

Kyodo News (2020). Japanese kids suffer near worst mental health among richest nations. Retrieved at Kyodo News at https://english.kyodonews.net/news/2020/09/0ff519e1aff9-japanese-kids-suffer-near-worst-mental-health-among-richest-nations.html, accessed on April 2, 2023.

Li MH Tim, et al. (2015). Youth social withdrawal behavior (hikikomori): A systematic review of qualitative and quantitative studies. Retrieved from Sage Journals at https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/0004867415581179, accessed on April 1, 2023.

Nippon (2022). Suicide Rate for Minors Highest Ever in Japan. Retrieved from Nippon at https://www.nippon.com/en/japan-data/h00857/, accessed on April 1, 2023.

Sammouri Nader (2022). The stigma of mental health and sanity in Japan. Retrieved at Arab News at https://www.arabnews.jp/en/features/article_72751/, accessed on April 2, 2023.