Steigende Anzahl von Hexenanschuldigungen bedroht Kinderleben

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Der Glaube an Hexerei existiert noch heute und wurde in verschiedenen Ländern weltweit belegt, unter anderem in den Subsahara-Ländern Tansania, Zentralafrikanische Republik und Nigeria, aber auch Bolivien, Guatemala, Haiti, Indien, Iran, in Nepal, Thailand und Saudi-Arabien sowie in einigen Gemeinschaften in Europa und den Vereinigten Staaten von Amerika (Hanson & Ruggiero, 2013).

Am sichtbarsten manifestiert sich dieser Glaube in der Bezichtigung der Hexerei von Personen, die angeblich „die Fähigkeit haben, jemandem durch den Einsatz mystischer Kräfte zu schaden“ (Cimprici & WCARO, 2010). Da es zu diesem Phänomen keine systematischen Berichte oder Dokumentationen gibt, sind auch keine zuverlässigen Schätzungen zu seiner Verbreitung verfügbar (Hanson & Ruggiero, 2013). Allerdings stieg laut Menschenrechtsberichten und mit diesem Thema arbeitenden Organisationen in den vergangenen 10 Jahren die Anzahl der Hexenanschuldigungen, vermehrt auch gegenüber Kindern (Mungai, 2014).

Anzahl an Hexenanschuldigungen in den letzten Jahren gestiegen

Anthropologen und Organisationen, die sich dem Phänomen der Hexerei widmen, stellen einen Anstieg der Anschuldigungen als Reaktion auf gesellschaftliche Veränderungen und Herausforderungen fest (Joselow, 2012). So „hat es den Anschein, dass sozialer und wirtschaftlicher Druck, einschließlich Konflikte, Armut, Urbanisierung und Schwächung der Kommunen ebenso wie HIV/AIDS zum jüngsten Ansteigen der Hexereinanschuldigungen gegenüber Kindern beigetragen haben” (UNICEF, 2010). ‚Hexenkinder‘ werden auch für Not und Elend von und Unglücksfälle in Familien oder Kommunen, wie Tod, Scheidung, Krankheit, verantwortlich gemacht. Diese Anschuldigungen treten vorrangig in Gemeinschaften auf, die glauben, dass Probleme im Leben einen spirituellen Ursprung haben (Safe Child Africa, o. J.). Zudem führt das beschränkte medizinische Wissen über Krankheiten in Kombination mit einem solchen kulturellen Glaubenssystem zu einer „Prädisposition der Menschen, Sündenböcke zu suchen, denen sie die Verantwortung zuschieben“ (MacLean, 2014). Und so bietet die Hexerei eine Erklärung für dieses Unglück und alle möglichen Herausforderungen, die das Leben mit sich bringt.

Zwar stellt der Glaube an Hexerei und übernatürliche Geister, den es in vielen Religionen und kulturellen Glaubenssystemen gibt,an sich kein Problem dar – problematisch wird es erst, da die Konsequenzen für der Hexerei bezichtigte Personen sehr ernst sein können. Sie können zu „Verfolgung, auch psychologischer Natur, und emotionaler und körperlicher Misshandlung führen, die nicht selten mit dem Tod derart bezichtigter Kinder enden“ (Hanson & Ruggiero, 2013). Die Kirchen können bei diesen Anschuldigungen eine wichtige Rolle spielen; UNICEF hat Fälle in Afrika dokumentiert, wo Pastoren aus evangelikalen, Auferstehungs- und Pfingstkirchen aus Geldgier Kinder zu Hexen erklärt und von den betroffenen Familien sodann exorbitante Gebühren für die Austreibung der bösen Geister verlangt haben (Safe Child Africa, o. J.) (UNICEF, 2010) (Mungai, 2014).

Warum werden Kinder der Hexerei bezichtigt?

Wie hoch die Gefahr ist, dass ein Kind der Hexerei bezichtigt wird, hängt von mehreren Faktoren ab. Eine körperliche Behinderung kann ebenso der Grund sein wie eine geistige Behinderung oder eine körperliche Erkrankung: Hierzu zählen etwa Autismus oder Epilepsie (Cimpric & WCARO, 2010). Auch aufgrund einer ungewöhnlichen Geburt können Kinder der Hexerei bezichtigt werden: Hierunter fallen Früh- und Zwillingsgeburten (Cimpric & WCARO, 2010). Waisenkinder und Kinder mit spezifischen Verhaltensmustern (Aggressivität, Trägheit, Introvertiertheit) werden ebenfalls oft der Hexerei bezichtigt (Cimpric & WCARO, 2010). Schließlich werden Kinder mit Albinismus mit Hexerei in Verbindung gebracht und „wegen der magischen Kräfte getötet, die sich angeblich in Teilen ihrer Körper befinden, wozu auch ihre Organe, Haare, Haut und Gliedmaßen zählen“ (Cimpric & WCARO, 2010).

Wie können diese irrationalen Anschuldigungen gestoppt werden?

Es gibt unterschiedliche direkte Schritte zur Bekämpfung der Hexerei-Anschuldigungen und zum Schutz der Opfer.

Eine der Lösungen besteht darin, rechtliche Reformen durchzuführen und deren Durchsetzung sicherzustellen. Tatsächlich „wird in mehreren Ländern Hexerei als Straftat angesehen; sowohl Kinder wie auch Erwachsene, die derartiger Praktiken beschuldigt werden, können mit einer Haftstrafe belegt werden“ (UNICEF 2010). An einigen Orten wurden Gesetze verabschiedet, die der Hexerei-Anschuldigung ein Ende setzen sollen. 2012 beschloss die Regierung des nigerianischen Bundesstaates Akwa Ibom ein Gesetz, das Hexerei-Anschuldigungen kriminalisiert (DeFraia, 2012).

Ein anderer wichtiger Schritt ist die Bereitstellung von Versorgung und Schutz für die Kinder. Der Bundesstaat Akwa Ibom investierte beispielsweise in Zufluchtsorte und Bildung für der Hexerei beschuldigte Kinder (DeFraia, 2012). Gewalt gegen Kinder, die der Hexerei beschuldigt werden, ist eine Form der Kindesmisshandlung, der in gleicher Form begegnet werden muss wie jeder anderen Form der Kindesmisshandlung (UNICEF, 2010).

Zudem sind auch das Engagement der Kirchen, Kommunen, Politiker, traditioneller und religiöser Führer und der Dialog mit diesen unerlässlich, will man den negativen Konsequenzen des Glaubens an Hexerei begegnen und ein besseres Verständnis der Kinderrechte erreichen (DeFraia, 2012) (UNICEF, 2010).

Geschrieben von: Salomé Guibreteau
Übersetzt von : Helga Humlova
Überprüft von: Johanna Held

Cimpric, A., & WCARO, U. (April 2010). Der Hexerei beschuldigte Kinder: Eine anthropologische Studie der gegenwärtigen Praktiken in Afrika.Abgerufen von der UNICEF-Website: https://www.unicef.org/wcaro/wcaro_children-accused-of-witchcraft-in-Africa.pdf

DeFraia, D. (1. November 2012). Nigeria führt Gesetz zum Schutz von „Hexenkindern“ ein.Abgerufen von der Website von Public Radio International: http://www.pri.org/stories/2012-11-01/nigeria-introduces-law-protect-witch-children

Hanson, D. K., & Ruggiero, D. R. (Juli 2013). Informations- und Hintergrundpapier – Hexenkinder-Anschuldigungen und Menschenrechte.)
Abgerufen von der Website des Europäischen Parlaments: http://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/note/join/2013/433714/EXPO-DROI_NT(2013)433714_EN.pdf

Joselow, G. (15. Oktober 2012). Der Hexerei beschuldigte Kinder sind in der Zentralafrikanischen Republik schutzlos.
Abgerufen von der Website von VOA News: http://www.voanews.com/a/children-witchcraft-central-african-republic/1527120.html

MacLean, D. (21. Oktober 2014). Tragische Hexenjagden in Papua Neuguinea.
Abgerufen von der Website von The Diplomat: http://thediplomat.com/2014/10/papua-new-guineas-tragic-witch-hunts/

Mungai, C. (21. August 2014). Hexenkinder und Tötungen in Afrika: Warum die Kleinen in muslimischen Gesellschaften sicherer sind als in christlichen.Abgerufen von der Website von Mail & Guardian Africa: http://mgafrica.com/article/2014-08-21-child-witches-in-africa-far-from-being-a-traditional-belief-it-is-a-modern-invention

Safe Child Africa. (o. J.) Hexenkinder.Abgerufen von der Website von Safe Child Africa: http://www.safechildafrica.org/childwitches

UNICEF. (28. Juli 2010). Die Fälle von Kindern, die der Hexerei beschuldigt werden, nehme, in Teilen von West- und Zentralafrika zu.
Abgerufen von der UNICEF-Website: UNICEF: https://www.unicef.org/protection/nigeria_55301.html