Missbrauch von Jugendsportlern in Vorbereitung auf die Olympischen Spiele in Japan

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Im September 1990 unterzeichnete Japan die UN-Kinderrechtskonvention. Vier Jahre später, im April 1994, ratifizierte Japan den Vertrag, ein Dokument dessen Artikel 32 die Rechte von Kindern auf Arbeit ohne Ausbeutung umreißt:

„Die Vertragsstaaten erkennen das Recht des Kindes an, vor wirtschaftlicher Ausbeutung geschützt und nicht zu einer Arbeit herangezogen zu werden, die wahrscheinlich gefährlich sind oder die Erziehung des Kindes behindern oder die Gesundheit des Kindes oder seine körperliche, geistige, seelische, sittliche oder soziale Entwicklung schädigen könnte.“

Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte, 1989

Zuletzt im Jahre 2020 hat Japan die Vorgaben der KRK nicht beachtet. In Vorbereitung auf die olympischen Medaillen wurden Kindersportler „brutal geschlagen und verbal missbraucht, um Trophäen und Medaillen zu gewinnen“, sagt Minky Worden, der Direktor für globale Initiativen bei Human Rights Watch (HRW). (Human Rights Watch, 2020) Als Investigation veröffentlichte HRW erst im Juli 2020 ein Bericht, um die Diskriminierung junger Leuten in der Sportindustrie aufzuzeigen.

Das ‘Human Rights Watch’ Bericht

Das 67 Seiten lange Dokument zeichnete die Zeugnisse von mehr als 800 ehemaligen Kindersportlern auf. HRW führte von März bis Juni 2020 425 Onlineinterviews durch, mit ehemaligen Kindersportler aus 45 Präfekturen und 45 verschiedenen Sportarten. (Human Rights Watch, 2020) Wie HRW berichtet, beziehen sich die Gesetze gegen Gewalt im Sport in Japan nicht genau auf Kindesmissbrauch, und Gesetze gegen Kindesmissbrauch (auch im Sport) erwähnen nicht den Missbrauch im organisierten Sport. Anderen Gesetze enthalten keine Hinweise auf Kindesmissbrauch im Sport und sind rechtlich nicht bindend. (Human Rights Watch, 2020)

Infolgedessen ermutigt die japanische Sportkultur die Trainer, Kinder zu diskriminieren. Obwohl Missbrauch strafbar ist, haben Sportverbände oft die Freiheit, den Missbrauch von Kindersportlern zu verhindern, zu melden, zu untersuchen und zu bestrafen, was sie aber nicht tun. HRW berichtet, dass dieses „institutionelle Versagen Kindersportler anfällig für Missbrauch macht.“ (Human Rights Watch, 2020)

Taibatsu – Körperliche Bestrafung als Praxis

Das Bericht dokumentiert körperliche Bestrafungen im Sport, auf japanisch auch als „taibatsu“ bekannt. Zu diesen Gewalttaten gehören dazu „ins Gesicht geschlagen, getreten, mit Gegenständen wie Schläger oder Bambus Kendo Stäbe geschlagen, gewürgt, mit Pfeifen oder Schlägern gepeitscht und sexuell missbraucht und belästigt zu werden und unter Wassermangel zu leiden.“ (Human Rights Watch, 2020) Weiterhin melden viele Jugendliche verbalen Missbrauch (Beleidigungen oder Bedrohungen), Vernachlässigung und Mobbing unter Teammitgliedern.

Diese Arten des Missbrauchs werden an Kindern ausgiebig ausgeübt, um sie zu motivieren, härter zu arbeiten, was eine übliche Mentalität in der japanischen Sportkultur ist. Die Gewalt gegen Jugendsportler schadet ihnen aber in vielerlei Hinsicht. Wie der Sportanwalt im Exekutivkomitee der World Players Association, Takuya Yamazaki, feststellte: „Sport kann Vorteile wie Gesundheit, Stipendien und Karrieren bringen, aber allzu oft erfahren die Missbrauchsopfer Leiden und Verzweiflung“. (Ramsay, 2020)

Sexueller Missbrauch von Kindersportlern

In ihren Ergebnissen berichtet HRW: „Von den 381 Befragten im Alter von 24 Jahren oder jünger meldeten fünf sexuelle Übergriffe oder Belästigungen bei der Ausübung von Sport im Kindesalter.“ (Human Rights Watch, 2020) Diese Statistiken berücksichtigen nicht die enormen Schwierigkeiten, sich zu melden. „Weltweit, Japan eingeschlossen, ist Kindesmissbrauch ein weniger gemeldetes Verbrechen.“ Tatsächlich werden Kinder oft ermutigt, darüber zu schweigen. „Sportler werden nicht ermutigt, eine Stimme zu haben“, was es schwierig macht, ihren Standpunkt darzustellen, wie es das Ziel dieses Berichts war. (Human Rights Watch, 2020)

Psychische Auswirkungen von Kindesmissbrauch

Die psychischen Auswirkungen dieser Taten sind immens. Als Ergebnis des Missbrauchs können Kinder Trauma erleiden, das ihre moralische, soziale und mentale Entwicklung grundlegend ändern kann. Zum Beispiel weist das Bericht auf den Anstieg der Suiziden unter jugendlichen Sportlern in Japan, eine Konsequenz der brutalen Bedingungen der Sportkultur. Wie in der KRK festgehalten wird, können Kinder nicht als Individuen gedeihen, wenn sie Missbrauch erleiden. Bei der Ausübung einer gefährlichen Arbeit werden Kinder ausgebeutet und nicht geschützt.

Die Notwendigkeit einer Änderung

In ihrem Bericht fordert Human Rights Watch eine fundamentale Änderung bezüglich der  gewalttätigen strukturellen und kulturellen Praktiken gegenüber Jugendlichen in der japanischen Sportkultur. Obwohl Anstrengungen unternommen wurden, um die Situation zu verbessern, haben sich diese Maßnahmen in den Jahren 2013 und 2019 als unangemessen und unzureichend erwiesen. (Tarrant, 2020). Als Ergebnis dessen fordert HRW Autoritäten dazu auf, „Alle Formen von Missbrauch an Kindersportlern durch Trainer zu verbieten“. (Ramsay, 2020)

Des Weiteren ermutigt die Menschenrechtsorganisation die Autoritäten , die japanischen Gesetze gegen Kindesmissbrauch, die internationalen Menschenrechtsstandards und die Regelung des Internationalen Olympischen Komitees den Schutz der Athleten zu respektieren und Trainer verantwortlich für die Gewalt, die sie an Kindersportler ausüben, zu machen. HRW fordert die japanische Regierung auf, einen einheitlichen Ansatz umzusetzen:

„Erst einmal sollte die Regierung ausdrücklich jede Form des Missbrauchs als Coaching-Technik im Sport verbieten und ein Japan Center for Safe Sport einrichten, ein unabhängiges Gremium, das sich ausschließlich mit Kindesmissbrauch im Sport befasst. Dieses Gremium sollte die Verantwortung tragen, den  Standard für den Schutz von Kindersportlern zu schaffen und aufrechtzuerhalten und als zentrale Verwaltungsbehörde für die Untersuchung von Missbrauchsvorwürfen und die Verhängung verhältnismäßiger Sanktionen gegen missbräuchlichen Trainer dienen. Missbrauchsfälle, bei denen es um kriminelles Verhalten geht, sollten auch an Polizei und Staatsanwaltschaft zur gleichzeitigen strafrechtlichen Untersuchung weitergeleitet werden.“

Human Rights Watch, 2020

Wir sollten uns auch daran erinnern, dass physische Gewalt im Sport als Tradition in der japanischen Kultur angesehen wird. Daher müssen wir alle Kräfte der Gesellschaft auffordern, Veränderung herbeizuführen.

„Trainer, Eltern und selbst einige Spieler halten an dem falschen Glauben fest, dass physischer Missbrauch im Sport Wert hat; und Kinder leiden darunter.“

Human Rights Watch, 2020

Deshalb ist es wichtig, dass die japanische Regierung Maßnahmen ergreift, um Kindern zu helfen und sie zu schützen, besonders vor dem Beginn der Olympischen Spiele im Sommer 2021. Mit dieser Verschiebung (aufgrund der Coronavirus-Krise) hat Japan die Mittel und die Zeit, seine nachteiligen Praktiken gegenüber Kindern zu ändern.

„Japan hat eine einzigartige Chance, der Welt zu zeigen, wie es sich um seine Kindersportler kümmert und führend darin zu sein, Sport für alle sicher zu machen.“

Human Rights Watch, 2020

Humaniums Beitrag zum Schutz der Kinderrechte

Bei Humanium bemühen wir uns, Kinderrechte zu schützen und das Bewusstsein für den Missbrauch dieser Kinder zu stärken. Es ist daher wichtig, dass wir über die Bedingungen sprechen und diskutieren, unter denen Jugendsportler ihre Sportart ausüben. Mit unseren Projekten haben wir uns für die Schaffung von Ressourcen und Aktivitäten eingesetzt, die Kindern helfen, als Individuen zu wachsen, eine Aufgabe, bei der die Gesundheit und das Wohlergehen des Kindes im Vordergrund stehen. In Palästina haben wir zum Beispiel an der Renovierung eines Kinderspielplatzes für Kinder aus dem Flüchtlingslager Dheisheh gearbeitet, der den Kindern Zugang zu einem sicheren Spielplatz mit Sportgeräten ermöglichte.

Jugendsportler in Japan müssen in der Lage sein, mit ihren sportlichen Aktivitäten Erfolg zu haben, ohne beschämt oder geschlagen zu werden. Darum müssen wir die japanische Regierung dazu bewegen, zugunsten dieser Kinder zu handeln – und damit ihre Rechte zu schützen!

Geschrieben von Leah Benque

Übersetzt von Marie Podewski

Lektoriert von Hettie M-J

Quellen:

BBC. (2020, July 20), “Japanese athletes suffered abuse, says Human Rights Watch report,” BBC. Retrieved from BBC Sport.

Human Rights Watch. (2020, July 20), “‘I Was Hit So Many Times I Can’t Count’.

Abuse of Child Athletes in Japan,” HRW. Retrieved from HRW Reports.

Human Rights Watch. (2020, July 20), “Japan: Child Abuse in Pursuit of Olympic Medals

Host of 2021 Summer Games Should Undertake Urgent Systemic Reforms,” HRW. Retrieved from HRW News.

Ramsay, George. (2020, July 22), “’Violence and abuse are too often a part of the child athlete’s experience‘ in Japan — report,” CNN. Retrieved from CNN Sports.

Tarrant, Jack. (2020, July 20), “Human Rights Watch report documents abuse of child athletes in Japan,” Japan Times. Retrieved from Japan Times Sports.

United Nations Human Rights Office of the High Commissioner. (1989, November 20), “Convention on the Rights of the Child,” OHCHR. Retrieved from OHCHR org.