Kinder mit Behinderungen

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Die internationale Gemeinschaft hat im Verständnis für die Erfahrungen von Menschen mit Behinderungen und im Schutz ihrer Rechte bereits Fortschritte erzielt. Dieser Artikel befasst sich mit der Situation von Kindern mit Behinderungen in Lateinamerika und der Karibik. (UNICEF, 2013).

 

Der Hintergrund

Kinder mit Behinderungen sind eine der am stärksten marginalisierten und ausgegrenzten Gruppen in der Gesellschaft. Angesichts der täglichen Diskriminierung in Form von negativer Einstellung, mangelnder angemessener Richtlinien und Gesetzgebung, sind sie praktisch davon ausgeschlossen, ihr Recht auf Gesundheitsversorgung, Bildung und sogar auf Überleben wahrzunehmen.

Ihnen wird oft der Zugang zu Kultur- oder Freizeitaktivitäten oder zu Informationen und Unterstützung bezüglich reproduktiver Gesundheit, Sexualität und anderen Bereichen verweigert, die für eine nahtlose Eingliederung des Kindes in die Gesellschaft und dessen Wachstum und Entwicklung bis ins Erwachsenenalter entscheidend sind. (UNICEF, 2018)

Wenn behinderten Kindern das Recht auf Bildung verweigert wird, hat dies lebenslange Auswirkungen auf deren Lern-, Leistungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten und beeinträchtigt somit ihre potenzielle wirtschaftliche, soziale und menschliche Entwicklung.

Um sicherzustellen, dass alle Kinder ihre grundlegenden Menschenrechte ohne Diskriminierung genießen können, sollte die Einbeziehung von Behinderten in allen Richtlinien und Plänen verankert werden. Dies gilt auch für die Bildungseinrichtungen, die Integration fördern müssen, indem sie die Anwesenheit, Beteiligung und Leistung aller Kinder, einschließlich Kinder mit Behinderungen, gewährleisten. (Jerome Bickenbach, 2011)

 

Der Rechtsrahmen

UN-Konvention über die Rechte des Kindes

Der erste internationale Vertrag, der die Rechte von Kindern mit Behinderungen ausdrücklich anerkennt.

Der Grundsatz der Nichtdiskriminierung wird in Artikel 2 der Konvention über die Rechte des Kindes zum Ausdruck gebracht, der ausdrücklich die Diskriminierung aufgrund von Behinderungen verbietet:

„Die Vertragsstaaten achten die in diesem Übereinkommen festgelegten Rechte und gewährleisten sie… jedem Kind…. ohne jede Diskriminierung, unabhängig von einer… Behinderung… oder des sonstigen Status des Kindes…“.(Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes 1989, Artikel 2) Die explizite Erwähnung von Behinderung als verbotenem Diskriminierungsgrund in Artikel 2 ist einzigartig und lässt sich damit erklären, dass Kinder mit Behinderungen zu einer der am stärksten gefährdeten Gruppen von Kindern gehören.

Artikel 23 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes verweist auf die Verpflichtung der Vertragsstaaten und erkennt an, dass ein Kind mit geistigen oder körperlichen Behinderungen das Recht hat, ein erfülltes und menschenwürdiges Leben unter Bedingungen zu führen, die Würde gewährleisten, die Eigenständigkeit fördern und die aktive Teilnahme des Kindes an der Gemeinschaft ermöglichen. Im Wesentlichen betont der Artikel die Notwendigkeit der Einbeziehung von Kindern mit Behinderungen in die Gesellschaft und die Bereitstellung einer Grundversorgung, um die Stigmatisierung von Kindern mit Behinderungen zu beseitigen.

Artikel 24 (Gesundheit und Gesundheitsversorgung) des Übereinkommens über die Rechte des Kindes besagt, dass jedes Kind Anspruch auf Zugang zu medizinischer Grundversorgung hat. Dieser Artikel ist von größter Bedeutung, da Kinder mit Behinderungen besseren Zugang und bessere Behandlung benötigen, damit sie mit allen Kindern auf dem gleichen Niveau sind. Darüber hinaus wird hiermit sichergestellt, dass das Recht auf Leben respektiert und gewahrt wird.

Die lateinamerikanischen und karibischen Länder haben das Übereinkommen über die Rechte des Kindes unterzeichnet, bekräftigt und ratifiziert, und damit diese Staaten ihren Verpflichtungen nachkommen können, müssen die nationalen Gesetze mit den Bestimmungen des Übereinkommens über die Rechte des Kindes in Einklang gebracht werden.

 

UNCRPD (UN-Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen) & Fakultativprotokoll

Das Übereinkommen erkennt eine breite Kategorisierung von Menschen mit Behinderungen an und bekräftigt, dass sämtliche Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle Menschen mit Behinderungen jeglicher Art gelten müssen. Alle Bestimmungen des Übereinkommens gelten sowohl für Kinder mit Behinderungen als auch für Erwachsene. Zu den allgemeinen Grundsätzen gehören die Achtung der sich weiterentwickelnden Fähigkeiten des Kindes und das Recht der Kinder auf die Wahrung ihrer Identität. Von den 33 Mitgliedstaaten Lateinamerikas und der Karibik haben 31 die CRPD ratifiziert; von diesen haben 24 sowohl die CRPD als auch das Fakultativprotokoll ratifiziert.  (Alliance, International Disability, 2015)

Artikel 7-Kinder und Behinderungen des CRPD bekräftigt das Grundrecht aller Kinder mit Behinderungen auf sämtliche Menschenrechte, wie sie allen Kindern zustehen. Die Berücksichtigung des Wohls des Kindes und der eigenen Meinungsfreiheit der Kinder ist besonders wichtig für Kinder mit Behinderungen, deren Interessen und Stimme unzureichend beachtet werden.

Artikel 24 – Bildung, spiegelt ein klares Bekenntnis zum Grundsatz der integrativen Bildung als Ziel wider. Der Artikel befasst sich auch mit den spezifischen Bedürfnissen von Kindern mit schweren und komplexen sensorischen Behinderungen und dem Zugang zu spezifischen Lernhilfen wie Gebärdensprache, Blindenschrift und Sehhilfen. Dabei muss die Förderung aller behinderten Kinder individuell gestaltet und gewährleistet sein. Sowohl in zeitlicher als auch in personeller Hinsicht.  (Jerome Bickenbach, 2011)

Um diese internationalen Bedingungen auf nationaler Ebene umzusetzen, ist es für die Staaten Lateinamerikas und der Karibik unerlässlich, nationale Aktionspläne mit angemessenen Zeitrahmen und messbaren Zielen zu entwickeln, die mit den, in der CRPD verankerten Grundsätzen, in Einklang stehen.

 

UN-Rahmenbestimmungen für die Herstellung der Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen 1993

Der Ausschuss für die Rechte des Kindes empfahl, zwei Dokumente als zusätzliche Hilfsmittel zur Förderung der Rechte von Kindern mit Behinderungen zu verwenden. Diese Rahmenbestimmungen sind zwar nicht verbindlich, zeigen jedoch eine politische Verpflichtung der Staaten, die Gesellschaft für Personen mit funktionalen Beeinträchtigungen zu gestalten. Die Rahmenbestimmungen betreffen alle Aspekte des Lebens von Menschen mit Behinderungen, wie z.B. die Voraussetzungen für eine gleichberechtigte Teilnahme (Sensibilisierung, medizinische Versorgung, Rehabilitation, Hilfsdienste und Barrierefreiheit). Zielbereiche der Chancengleichheit (Barrierefreiheit, Bildung, Familienleben und persönliche Integrität).

 

UN Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) von 1948

Artikel 25 besagt, dass Mütter und Kinder Anspruch auf besondere Fürsorge und Unterstützung haben und dass alle Kinder, eheliche wie außereheliche, den gleichen sozialen Schutz genießen. Artikel 26 garantiert jedem den gleichen Zugang zur Bildung und räumt den Eltern das Recht ein, die Art der Bildung für ihr Kind zu wählen.

 

Millenniumsentwicklungsziele (“MDG”, von millenium development goals)

Die MDG bietet einen entscheidenden integrativen Handlungsrahmen für die Förderung der Menschenrechte und der Lebensqualität von Menschen mit Behinderungen. Obwohl Menschen mit Behinderungen nicht ausdrücklich erwähnt werden, werden derzeit internationale Anstrengungen unternommen, um die Dimension der Behinderung ausdrücklich in die Fünf-Jahres-Überprüfungen der MDG-Ergebnisse aufzunehmen.

 

Welche Auswirkungen hat eine Behinderung auf Kinder

 

  • Nicht-inklusive Gesellschaft; dies kann anhand mangelnder Bildung für behinderte Kinder leicht erkannt werden und unzureichender Hilfsmittel wie Hörgeräte oder spezielle Geräte, um Barrieren zu überwinden. Soziale und kulturelle Barrieren müssen beseitigt werden, auch „einstellungsbezogene Barrierefreiheit“ genannt, indem Vorurteile, Diskriminierung und Stigmatisierung beseitigt werden.
  • Ebenso müssen rechtliche oder normative Barrieren, auch „programmatische Barrierefreiheit“ genannt, überwunden werden, wobei scheinbar neutrale Regeln oder Bestimmungen sorgfältig geprüft werden müssen, da sie oft Hindernisse aufrechterhalten.
  • Die mangelnde Teilnahme an öffentlichen Foren führt dazu, dass behinderte Kinder unsichtbar werden. So berücksichtigen beispielsweise die Millenniumsentwicklungsziele weitestgehend Menschen mit Behinderungen nicht. Dies hat zur Folge, dass Menschen mit Behinderungen, die 15 % der Weltbevölkerung ausmachen und häufig zu den ärmsten der Armen gehören, nicht in vollem Umfang von vielen Entwicklungs- und humanitären Hilfsprogrammen profitieren. (UNICEF, 2018)
  • Mangelnder Zugang zu Bildung: Ein Fall in Brasilien, in dem Gehörlose keine Ausbildung in ihrer Muttersprache erhalten und die brasilianische Gebärdensprache erlernen müssen. In Mexiko gab es beispielsweise einen Fall, in dem ein kleiner Junge nie eine öffentliche Schule besuchen konnte, weil seine Gemeinde es verboten hatte (Alliance, International Disability, 2015).
  • Die sexuelle und reproduktive Gesundheit von Mädchen mit Behinderungen ist noch lange nicht gewährleistet; dies ist mit dem fehlenden Zugang zu Gesundheitsfürsorge und -informationen verbunden.
  • Kinder mit Behinderungen in diesen Regionen sind nach wie vor von unterschiedlichen Formen der Armut, einschließlich extremer Armut, betroffen und haben eine geringe Chance an der Gemeinschaft teilzunehmen und effektiv in diese integriert zu werden.

 

Wie Kinder mit Behinderungen wahrgenommen werden möchten

„Ich würde gerne gehörlosen Kinder im Fernsehen sehen. Ich habe noch nie welche gesehen.“

„Ich würde gerne Nachrichten über Behindertensport sehen. Es gibt viele Sportarten für gehörlose Menschen.“

„Ich würde gerne Nachrichten darüber sehen, wie man weniger Treppen und mehr Rampen baut…“.

„Ich würde gerne eine Dokumentation über ein Kind sehen, das Schwierigkeiten beim Gehen hat.“

„…Dinge, die realistischer und informativer sind, weil viele Leute nichts von diesen Problemen wissen.“

„Ich möchte, dass sogar der Präsident Menschen mit Behinderungen hilft, denn ich glaube, er hilft uns im Moment nicht.“

„Ich möchte, dass gezeigt wird, wie schwierig es für Menschen mit Behinderungen ist, zu lernen.“

„Ich möchte, dass sie zeigen, dass es falsch ist, jemanden mit Behinderungen im Bus stehen zu lassen.“

„Ich möchte, dass im Fernsehen gezeigt wird wie wir spielen, lernen.“

„Ich würde die Nachrichten gerne in Gebärdensprache sehen.“

„… mehr über Sportler mit Behinderungen erfahren. Wie sie ihr Ziel erreicht haben.“ (UNICEF, 2013)

 

 

Die nächsten Schritte

  1. Die Regierungen haben die Pflicht, die nationalen Gesetze mit der CRPD der Vereinten Nationen in Einklang zu bringen, einschließlich einer aktiven Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft.
  2. In Zusammenarbeit mit Behindertenorganisationen sollte eine umfassende Überprüfung aller Gesetze durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass diese den relevanten UN-Normen entsprechen. Alle einschlägigen Gesetze und Vorschriften sollten ein Verbot der Diskriminierung aufgrund einer Behinderung beinhalten.
  3. Bereitstellung wirksamer Rechtsmittel bei Verletzungen der Rechte von Kindern mit Behinderungen und gewährleisteter Zugriff auf diese Rechtsmittel für Kinder, Familien und Betreuer.
  4. Entwicklung nationaler Aktionspläne, die die einschlägigen Bestimmungen aller anwendbaren internationalen Übereinkommen integrieren. In diesen Plänen sind geeignete Zeitvorgaben und Bewertungsindikatoren festzulegen.
  5. Durchführung von Sensibilisierungs- und Aufklärungskampagnen für die Öffentlichkeit sowie für spezifische Gruppen von Fachleuten/Experten mit dem Ziel, die tatsächliche Diskriminierung von Kindern mit Behinderungen zu verhindern und zu bekämpfen.
  6. Einführung eines Systems von Sozialdiensten und Unterstützung für Kinder mit Behinderungen. (UNICEF, 2018)
  7. Förderung der Entwicklung von Maßnahmen zur Erfüllung der internationalen Verpflichtungen.
  8. Regionale Herausforderungen sind miteinander verknüpft und erfordern daher gemeinsame und integrative Maßnahmen, die sich aus rechtlichen, administrativen und gerichtlichen Maßnahmen zusammensetzen, um einen echten Paradigmenwechsel in den individuellen und sozialen Einstellungen herbeizuführen

 

Aufruf zum Handeln

Kinder mit Behinderungen müssen von allen sorgfältig betreut werden. Wir alle brauchen Liebe und Zuneigung und ein behindertes Kind noch viel mehr und ein ganzes Leben lang. In diesem Sinne sind wir alle Betreuer und nicht „nur“ die Mitgliedstaaten.

 

Von Igi Nderi geschrieben
Von Birgit Puttock übersetzt

 

Referenzen

Alliance, International Disability. (2015, October 22). Advancement of the UN CRPD through the 2030 Agenda Towards Implementation in Latin America. Retrieved from Human Rights of People with Disabilities : https://www.internationaldisabilityalliance.org/sites/default/files/documents/final_lac_report.pdf

Committee United Nations Human Rights. (2007, March 30). Promoting the Rights of Children with Disabilities. Retrieved from UNICEF Innovation Research Centre: https://www.ohchr.org/EN/HRBodies/CRPD/Pages/ConventionRightsPersonsWithDisabilities.aspx

Documents, UN. (1948, December 10). United Nations. Retrieved from Universal Declaration of Human Rights: https://www.ohchr.org/EN/UDHR/Documents/UDHR_Translations/eng.pdf

Documents, UN. (1993, December 20). United Nations-Disability. Retrieved from Standard Rules on the Equalization of Opportunities for Persons with Disabilities: http://www.un-documents.net/sreopwd.htm

Jerome Bickenbach, T. D. (2011). World Report on Disability. Geneva: World Health Organisation . Retrieved from https://www.who.int/disabilities/world_report/2011/en/

UNICEF. (1989, November 20). United Nations Convention on the Rights of the Child. Retrieved from UN Documents : https://www.unicef.org/crc/files/Rights_overview.pdf

UNICEF. (2013, April 15). Rights of children and adolescents. Retrieved from Policies for the inclusion of children with disabilities: https://repositorio.cepal.org/bitstream/handle/11362/35980/Challenges-15-ECLAC-UNICEF_es.pdf;jsessionid=2F2A4A9CC790CABCF6684E33A267820A?sequence=1)

UNICEF. (2018, December 13). Disabilities. Retrieved from UNICEF: https://www.unicef.org/disabilities/)