Haiti erlebt zur Zeit eine beispiellose Hungerkrise, die durch die anhaltende politische Instabilität und die Vorherrschaft von Banden noch verschärft wird. Bei der sich ständig verschlimmernden Hungersnot sind die Kinder die Hauptleidtragenden und den direkten Folgen dieser alarmierenden Situation ausgesetzt. In diesem chaotischen Umfeld nimmt auch die sexistische und sexuelle Gewalt gegen Mädchen zu, was der ohnehin schon tiefen humanitären Krise eine tragische Dimension verleiht.
Ein instabiles politisches Umfeld
Die Nahrungsmittelkrise in Haiti ist mit einer tiefgreifenden Instabilität verbunden, die sowohl den politischen als auch den wirtschaftlichen und gesundheitlichen Bereich des Landes betrifft. Die Ermordung von Präsident Jovenel Moïse im Juli 2021 stürzte Haiti in eine Phase der politischen Unsicherheit, die durch das Fehlen einer funktionierenden Regierung und das Versagen der Legislative gekennzeichnet war (Plan International, 2024).
Zudem toben in Haiti Bandenkriege, insbesondere in Port-au-Prince, bei denen bewaffnete Gruppen ganze Stadtviertel kontrollieren und durch Entführungen, Morde und tägliche Gewalt ein Klima des Terrors erzeugen. Die Situation ist so schlimm, dass die schlecht ausgestattete und unterbesetzte Polizei diesen hochausgerüsteten Banden machtlos gegenübersteht (BBC, 2022).
Hinzu kamen immer wiederkehrende Naturkatastrophen, darunter verheerende Erdbeben, die lebenswichtige Infrastrukturen zerstört und das ohnehin fragile Land weiter gelähmt haben (Plan International, 2024). Gleichzeitig verschärfen Umweltfaktoren wie unzureichende Regenfälle und der Klimawandel die Herausforderungen in der Landwirtschaft und im Gesundheitswesen und gefährden so die landwirtschaftliche Entwicklung, die für den Lebensunterhalt vieler Familien von entscheidender Bedeutung ist (Plan International, 2024).
Schließlich sah sich das Land noch mit einer tödlichen Rückkehr der Cholera konfrontiert, einer Krankheit, die man unter Kontrolle glaubte und die sich durch den Zusammenbruch des Gesundheitssystems und den katastrophalen hygienischen Bedingungen verbreiten konnte. Die COVID-19-Pandemie hat zudem die lokale Wirtschaft, die bereits durch jahrzehntelange schlechte Regierungsführung und chronische Armut geschwächt ist, noch weiter destabilisiert (Plan International, 2024).
Eine beispiellose Nahrungsmittelkrise, die das Leben von Kindern gefährdet

Die Entstehung einer großflächigen Hungersnot ist eine direkte Folge der anhaltenden Instabilität und der sich häufenden Krisen in Haiti. Vor allem die Ernährungssituation von Kindern hat sich in den letzten Jahren besonders verschlechtert. Im Jahr 2024 wurde ein Anstieg der Fälle von Unterernährung und akuter Unterernährung bei Kindern um 19% verzeichnet (UNICEF, 2024).
Etwa fünf Millionen Menschen in Haiti leiden unter akutem Ernährungsmangel. Unter diesen fünf Millionen sind es besonders die Kinder, da jedes zweite Kind davon betroffen ist. Daten aus der „Food Insecurity Classification Scale“ (FIS), die die Notlagen in Bezug auf Hunger bewertet, zeigen, dass mehr als 1,6 Millionen Menschen am Rande des Hungertods stehen, darunter mehr als 600.000 Kinder.
In den letzten Jahren hat sich die Situation dramatisch verschlechtert: 2019 waren etwa 3,7 Millionen Haitianer von der Nahrungsmittelunsicherheit betroffen, heute ist die Zahl auf fast fünf Millionen gestiegen, was fast der Hälfte der Bevölkerung entspricht (Save the Children, 2024).
Die weit verbreitete Gewalt und Verbreitung von Waffen erschweren die Lieferung von humanitären und wichtigen Hilfsgütern wie Nahrungsmitteln und Medikamenten. Das Gesundheitssystem bricht ebenso wie das Ernährungssystem schnell zusammen, was den Zugang zur Gesundheitsversorgung für die Schwächsten, wie die Kinder, noch schwieriger macht (UNICEF, 2024).
Hoffnungslose Lebensbedingungen für Kinder in Haiti
Die Kinder in Haiti stehen im Mittelpunkt einer humanitären Krise, die sie besonders betrifft und sie unmenschlichen Lebensbedingungen aussetzt. Sie leiden unter chronischer Unterernährung, da ihnen häufig keine angemessene Ernährung geboten werden kann, wodurch sich ihr ohnehin schon schwacher Gesundheitszustand noch weiter verschlechtert.
Die aktuelle Ernährungskrise, die durch Gewalt und politische Instabilität noch verschärft wird, bringt sie in extreme Not. Grundlegende Bedürfnisse wie der Zugang zu Bildung und medizinischer Versorgung werden selten erfüllt, sodass diese jungen Menschen ohne Unterstützung und Hoffnung auf eine bessere Zukunft zurückgelassen werden (Plan International, 2024).
Neben der Unterernährung sind die Kinder der Ausbeutung und Misshandlungen aller Art ausgesetzt. Sie werden zu leichten Opfern sexueller Gewalt. Jüngste Risikobewertungen zeigen, dass der mangelnde Schutz von Kindern in Haiti ihre Ernährungsunsicherheit verschärft, wodurch sie noch tiefer in den Teufelskreis von Armut, Vertreibung und Gewalt geraten (Plan International, 2024).
Kinder und Ausbeutung durch Banden
Unbegleitete Kinder sind die größten Opfer. Auf sich allein gestellt, geraten sie oft in Situationen, in denen sie stehlen oder töten müssen und ausgebeutet werden, um zu überleben. Für diesen Überlebenskampf wenden sich viele von ihnen an die Banden. Diese, die etwa 90 % der Hauptstadt Port-au-Prince beherrschen, rekrutieren aktiv Kinder, um ihre Reihen zu verstärken. Schätzungen zufolge sind zwischen 30 und 50 Prozent der Mitglieder dieser bewaffneten Gruppen Minderjährige. (Save the Children, 2024).
Den Kindern werden nicht nur ihre Grundrechte vorenthalten, sondern sie sind auch tiefgreifenden physischen und psychischen Traumata ausgesetzt. Die chaotischen Zustände in Haiti in Verbindung mit dem Zusammenbruch der öffentlichen Dienste und der weit verbreiteten Unsicherheit erschweren den Zugang zu humanitärer Hilfe enorm.
Die Lieferung von Lebensmitteln und Medikamenten wird regelmäßig unterbrochen, und das Gesundheitssystem des Landes bricht, ebenso wie die Nahrungsmittelverteilung, rasch zusammen. Zudem wagen es viele Familien aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen nicht, die Gewalt gegen ihre Kinder anzuzeigen (UNICEF, 2024).
Die Zunahme von sexistischer und sexueller Gewalt gegen Mädchen
Die Mädchen in Haiti sind, aufgrund der humanitären Krisen, die die bereits bestehenden ungleichen Machtstrukturen noch verstärken, einem erhöhten Risiko sexistischer und sexueller Gewalt [SSV] ausgesetzt. In diesem chaotischen Umfeld wird diese Gewalt verschärft und trifft vor allem junge Mädchen.
Familien, die nicht in der Lage sind, für die Grundbedürfnisse ihrer Kinder aufzukommen, verheiraten ihre Töchter oft sehr jung, in der Hoffnung, ihnen dadurch eine gewisse Stabilität zu bieten. Dadurch sind sie jedoch anderen Formen der Ausbeutung ausgesetzt. Viele von ihnen sind dem Zwang ausgesetzt, gegen Geld oder Nahrung sexuellen Missbrauch zu erdulden, was ihre Verwundbarkeit noch verstärkt (Plan International, 2024).
Durch frühe Heirat und sexuelle Ausbeutung geraten diese Mädchen in eine Abwärtsspirale, in der sie oft schon in jungen Jahren mit ungewollten Schwangerschaften konfrontiert sind. Diese frühen Schwangerschaften in Verbindung mit extremer Armut und fehlendem Schutz machen ihre Situation noch schlimmer. Ihre Zukunft ist von Kindheit an gefährdet, geprägt von einem eingeschränkten Zugang zu Bildung, unzureichender Gesundheitsversorgung und Perspektivlosigkeit, wodurch sie zu einem Leben in ständiger Entbehrung und Gefahr verurteilt sind (Save the children, 2024).
Unermüdliche internationale Hilfe
Über lokale Partnerorganisationen hilft das Welternährungsprogramm [WFP] den Menschen, die vor kurzem durch die Gewalt in Port-au-Prince vertrieben wurden. In den ersten beiden Wochen des März 2024 wurden über 100.000 warme Mahlzeiten für mehr als 23.000 Menschen an 16 verschiedenen Standorten bereitgestellt.
Diese warmen Mahlzeiten stellen eine wichtige Unterstützung für Familien dar, die gezwungen sind, aus ihren Häusern zu fliehen. WFP stellt weiterhin Schulmahlzeiten für Kinder in jenen Provinzen bereit, in denen Lebensmittel noch teilweise verfügbar sind. Dies geschieht über dezentrale Versorgungsketten und gelegentlich durch den Kauf von lokalen Lebensmitteln von haitianischen Bauern (WFP, 2024).
Ebenso beschloss der UN-Sicherheitsrat im Oktober 2024, das Mandat der multinationalen Mission zur Unterstützung der Sicherheit (MMAS) in Haiti bis zum 2. Oktober 2025 zu verlängern, nachdem die Resolution 2751 einstimmig verabschiedet worden war. Ziel der MMAS ist es, die Sicherheitsbedingungen für die Abhaltung freier und geordneter Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im Rahmen eines politischen Prozesses zu schaffen, der von den Haitianern geleitet und kontrolliert wird (United Nations, 2024).

Humanium widmet sich dem Schutz der Kinderrechte und dem Kampf gegen Gewalt an Kindern in der ganzen Welt. Ihre Teilnahme ist entscheidend, um unsere Sache voranzubringen. Ziehen Sie eine ehrenamtliche Tätigkeit, eine Mitgliedschaft oder eine Spende in Betracht, wenn Ihnen unsere Mission am Herzen liegt.
Geschrieben von Jeanne-Marie Quashie
Übersetzt von Margit Bertling
Lektorat von Susanne Schröder
Bibliographie:
BBC, Haiti inside the capital city taken hostage by brutal gangs (2022) récupére du site BBC à https://www.bbc.com/news/world-latin-america-63707429 , consulté le 4 octobre 2024.
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Plan International, Gang violence in Haiti puts girls at risk (2024), récupéré du site Plan International à https://plan-international.org/news/2024/03/05/gang-violence-haiti-puts-girls-risk/ , consulté le 4 octobre 2024
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