Finnlands kinderorientiertes Schulsystem: ein weltweites Erfolgsmodell

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Der pädagogische Ansatz in Finnland, der sich durch fortschrittliche Reformen auszeichnet, sollte anderen Ländern als Vorbild dienen. Mit dem späteren Beginn der Schulpflicht und einem starken Fokus auf Lernen statt auf standardisierte Tests stellt Finnland das Wohlergehen der Schüler in den Vordergrund. Hieraus ergeben sich wertvolle Ansatzpunkte für Länder, die ihre Schulsysteme verbessern möchten, indem sie mehr Wert auf Innovation und die Rechte der Kinder legen und diese als die  wesentlichen Grundlagen für schulische Leistungen und persönliches Wachstum definieren.

Die Geschichte der Bildung in Finnland

Die finnischen Schulen sind weltweit für ihren Erfolg bekannt, obwohl Finnland erst relativ spät, nämlich 1921, die Schulpflicht eingeführt hat. Diese Änderung war in der Vergangenheit vor allem für ländliche Gegenden wichtig, in denen der Schulbesuch eingeschränkt war.

In den 1960er Jahren wurde das Bildungssystem des Landes reformiert, um den Bedarf an Fachkräften zu decken, die das Land nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufbauen sollten. Diese Reform führte zu einem neuen Lehrplan, der einen neuen Ansatz verfolgte und sowohl technische als auch akademische Studien umfasste (Europäische Kommission, 2023).

Erst im Jahr 2012 wurde die Schulpflicht auf 18 Jahre verlängert, wodurch die Ausbildung in der Sekundarstufe II für alle Schüler kostenlos wurde und die Rechte der Kinder und der Zugang zu Bildung weiter gestärkt wurden (Europäische Kommission, 2023).

Der Erfolg der Reformen wurde im Jahr 2000 deutlich, als die Ergebnisse des Programms zur internationalen Schülerbeurteilung (PISA-Studien) zeigten, dass die finnischen Jugendlichen weltweit die besten Leser waren. In den Folgejahren schnitten sie auch in den Fächern Mathematik und Naturwissenschaften hervorragend ab und belegten durchweg Spitzenplätze (Hancock L, 2011).

Wesentliche Grundsätze und Komponenten des finnischen Modells

Das Ziel des neuen Programms war es, zu den Grundlagen des Lernens zurückzukehren. Dabei ging es nicht nur darum, Bestnoten zu erzielen oder den Wettbewerb zu verschärfen. Stattdessen wollte man in Finnland ein gerechteres schulisches Umfeld schaffen. Seit den 1980er Jahren legen finnische Pädagogen großen Wert auf Grundsätze wie den Abbau sozialer Ungleichheit durch Schulbildung, psychologische Beratung und individuelle Betreuungsangebote für Schüler, um nur einige zu nennen (Calagrossi M, 2018).

Das finnische Bildungssystem gibt dem Lernen den Vorrang vor Prüfungen. Anders als in vielen anderen Ländern gibt es keine regelmäßigen landesweiten Prüfungen. Stattdessen beurteilen die Lehrkräfte die Schüler anhand der Ziele der Lehrpläne. Die einzige landesweite Prüfung, die sogenannte Matrikulationsprüfung, findet am Ende des Gymnasiums statt. Diese Prüfung dient dazu, die Zulassung zu weiterführenden Studien zu bestimmen (Council for Creative Education, n.d.)

In Finnland wird der größte Teil der Schulbildung öffentlich finanziert, d. h. es gibt auf allen Bildungsstufen keine Studiengebühren. Selbst in den ersten Schuljahren sind Dinge wie Schulmaterial, Mahlzeiten und Transport kostenlos. Im Gymnasium müssen die Schüler für ihre Bücher und den Transport selbst aufkommen. Es gibt auch ein gutes System von Studienbeihilfen und Darlehen zur Unterstützung von Schülern und Studenten im Gymnasium und an der Universität (Council for Creative Education, n.d.)

Lehrer in Finnland durchlaufen ein anspruchsvolles, forschungsbasiertes fünfjähriges Masterprogramm, das sehr wettbewerbsorientiert ist, zu dem nur eine kleine Anzahl von Bewerbern angenommen wird. Was finnische Pädagogen von anderen abhebt, ist, dass sie ihre Lehrmethoden selbst bestimmen können – ein Unterschied zu den Standards in vielen anderen Ländern, in denen externe Anforderungen wie standardisierte Tests und staatliche Kontrolle vorherrschen.

Der Ansatz in Finnland zielt darauf ab, Lehrer heranzuziehen, die fundierte Entscheidungen treffen und ihre Lehrmethoden ständig verbessern können. Folglich genießen die Lehrkräfte ein hohes Maß an Respekt (Crouch D, 2015).

Positive Bildungsergebnisse für Kinder

Finnland legt großen Wert auf das psychische Wohlbefinden von Kindern, indem es eine landesweite Anti-Mobbing-Politik in Schulen eingeführt hat. Diese Politik wird rigoros durchgesetzt, um ein sicheres Lernumfeld zu gewährleisten. Das Land setzt sich für die Bekämpfung von Ungleichheit ein, da diese häufig mit Mobbing und psychischen Problemen zusammenhängt.

Das finnische Schulsystem stellt die Behauptung in Frage, dass Kinder aus benachteiligten Verhältnissen weniger erfolgreich sind. Stattdessen ist es bestrebt, allen Schülern unabhängig von ihrer Herkunft die gleichen Chancen zu bieten (Poon Y. X, 2020).

Der Lehrplan ist so gestaltet, dass er Kinder anspricht und ihr Interesse an der Welt um sie herum fördert. Anstatt die Unterrichtszeit in Fächer aufzuteilen, lernen die finnischen Schüler, indem sie ihre Umgebung erkunden, was das Lernen relevanter macht (Poon Y. X, 2020).

Außerdem fördert der Lehrplan eine stärkere Beteiligung der Schüler, ermutigt sie, Verantwortung für ihr Lernen zu übernehmen, und betont Kompetenzen wie kritisches Denken und kulturelles Bewusstsein (Finnish National Agency for Education, n.d).

Unterrichtsfächer werden modernisiert, um die heutige Gesellschaft und die Herausforderungen des täglichen Lebens widerzuspiegeln. Der Lehrplan unterstützt auch die Entwicklung einer Schulkultur, die Lernen, Interaktion und Wohlergehen fördert, indem man multidisziplinäre Lernmodule und verschiedene Bewertungsmethoden einführt. Insgesamt zielt man darauf ab, eine umfassende Bildung zu vermitteln, die Engagement, Anpassungsfähigkeit und ein positives Lernumfeld für Kinder fördert (Finnish National Agency for Education, n.d.).

Der starke Fokus auf das Wohlbefinden von Kindern in Finnland steht im Einklang mit den Grundsätzen der Kinderrechte. Dieser ganzheitliche Ansatz ermutigt Schüler, ihr Lernen selbst in die Hand zu nehmen. Er stellt auch sicher, dass jedes Kind die gleichen Chancen hat, sich akademisch und persönlich zu entfalten, was Finnland zu einem Paradebeispiel für eine Bildung macht, die sich für das Wohlergehen von Kindern einsetzt.

Was andere Länder von Finnland lernen können 

Vom finnischen Schulsystem können andere Länder viel lernen. Zum Beispiel haben die Schüler hier kürzere Schultage, keine Hausaufgaben und sie konzentrieren sich mehr auf das Lernen selbst. Auch die Lehrer sind höher qualifiziert, was den Schülern hilft, in der Schule bessere Erfolge zu erzielen.

In den Vereinigten Staaten hingegen liegt der Schwerpunkt mehr auf staatlichen Prüfungen, vor allem in Mathematik und Lesen. Anderen Fächern wie Geschichte und Kunst wird hingegen nicht so viel Bedeutung beigemessen. Um das Schulsystem zu verbessern, können die USA vom finnischen Ansatz lernen, wo Lernen wichtiger ist als Tests (Matias S, 2019).

Auch das Bildungssystem des Vereinigten Königreichs könnte sich vieles von Finnland abschauen, wo die Lehrkräfte eine höhere Qualität des Lernens fördern, anstatt sich auf obligatorische Tests zu verlassen. Bedauerlicherweise haben die Lehrer im Vereinigten Königreich weniger Freiheit bei der Gestaltung ihres Lehrplans und ihrer Methoden, was wiederum Innovation und Zusammenarbeit behindert.

Darüber hinaus beginnen die Kinder in Finnland mit 7 Jahren mit der Schulbildung, wodurch sie mehr Zeit zum Spielen und für ihre soziale Entwicklung haben, im Gegensatz zum Vereinigten Königreich, wo sie im Alter von 5 Jahren eingeschult werden (Career Teachers, 2018).

Humanium setzt sich für den Schutz der Grundrechte von Kindern ein, wie z. B. ihr Recht auf Bildung und Schutz. Deshalb sind wir der Meinung, dass Länder auf der ganzen Welt viel von dem finnischen Bildungssystem lernen können, da hier der Fokus auf Spielen, Selbständigkeit und Chancengleichheit gelegt wird, um die Entwicklung der Kinder zu fördern. 

Wir von Humanium unterstützen Initiativen für lebenslanges Lernen, die dazu beitragen, dass Kinder eine bessere Zukunft haben. Wenn Sie uns unterstützen möchten, denken Sie bitte über eine Spende, eine ehrenamtliche Tätigkeit oder eine Mitgliedschaft nach. Gemeinsam können wir uns für einen gerechteren Ansatz in der Bildung einsetzen, bei der das Kind im Mittelpunkt steht.

Geschrieben von Lidija Misic

Übersetzt von Elke Schöpf

Korrektur gelesen von Hettie M-J

Bibliographie:

Calagrossi Mike (2018), 10 reasons why Finland’s education system is the best in the world. Retrieved from World Economic Forum at https://www.weforum.org/agenda/2018/09/10-reasons-why-finlands-education-system-is-the-best-in-the-world. Accessed on October 7, 2023.

Career Teachers (2018), What the UK education system can learn from Finland:

Finland has one of the most successful education systems on Earth but what makes it so successful? Retrieved from Career Teachers at https://www.careerteachers.co.uk/career-advice/blog/what-the-uk-education-system-can-learn-from-finland. Accessed on October 7, 2023.

Council for Creative Education (n.d.), Introduction to Finland Education. Retrieved from CCE at https://www.ccefinland.org/finedu. Accessed on October 7, 2023.

Crouch David (2015), Highly trained, respected and free: why Finland’s teachers are different. Retrieved from The Guardian at https://www.theguardian.com/education/2015/jun/17/highly-trained-respected-and-free-why-finlands-teachers-are-different. Accessed on October 7, 2023.

European Commission (2023), Political, social and economic background and trends. Retrieved from European Commission at https://eurydice.eacea.ec.europa.eu/national-education-systems/finland/historical-development. Accessed on October 7, 2023.

Finnish National Agency for Education (n.d.), National core curriculum for basic education. Retrieved from Finnish National Agency for Education at https://www.oph.fi/en/education-and-qualifications/national-core-curriculum-basic-education. Accessed on October 7, 2023.

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Matias Selma (2019), Comparison of the U.S. and Finland’s Educational Systems on

Students’ Academic Achievement. Retrieved from Digital Commons at https://digitalcommons.csumb.edu/cgi/viewcontent.cgi?article=1684&context=caps_thes_all. Accessed on October 7, 2023.

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