Die Kinder im Libanon und die Folgen der Kriegshandlungen von 2024

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Kinder im Libanon litten unter den vernichtenden Folgen der Kriegshandlungen 2024. Die eskalierende Gewalt führte zu Todesfällen, Verletzungen und einer massiven Vertreibung der jüngsten und schwächsten Mitglieder der Gesellschaft. Neben den unmittelbaren physischen Gefahren sind diese Kinder mit langfristigen Herausforderungen konfrontiert, einschließlich psychischer Traumata, Unterbrechungen der Ausbildung und Bedrohungen für ihr allgemeines Wohlbefinden.

Geschichte der Kriegshandlungen

Der Libanon hat eine komplexe Geschichte, die von Konfliktperioden und politischer Instabilität geprägt ist. Der libanesische Bürgerkrieg (1975-1990) hinterließ tiefe Narben in der sozialen und politischen Situation des Landes (Ochsenwald&Kingston, 2025). In den folgenden Jahren erlebte der Libanon unregelmäßige Konflikte, unter anderem den Krieg zwischen der Hisbollah und Israel 2006, der signifikant zivile Opfer und Schäden an der Infrastruktur forderte (Britannica, o. D.).

In den letzten Jahren haben sich die Spannungen entlang der südlichen Grenze des Libanon verschärft, was zu erneuten Kriegshandlungen führte. Ab Oktober 2023 intensivierten sich grenzüberschreitende Konflikte, was zu fast täglichen Luftangriffen und militärischen Auseinandersetzungen führte. Diese Kriegshandlungen drangen zunehmend tiefer in libanesisches Territorium ein und verursachten umfassende Vertreibungen und zivile Opfer. Die Lage verschlechterte sich Mitte September 2024 weiter, als eine signifikante Zunahme von Gewalt zahlreiche Gemeinden im ganzen Land beeinflusste.

Der Einfluss auf Kinder: Verluste und Vertreibung

Die Eskalation der Kriegshandlungen von 2024 brachte libanesische Kinder in unmittelbare physische Gefahr. Berichten zufolge wurden allein zwischen Mitte September und dem 22. Oktober 2024 mit zunehmender Verschlechterung der Lage mehr als 1.088 Kinder verletzt und 155 Kinder getötet(Unicef ​​USA, 30.10.2024).

Die Ausschreitungen führten auch zu einer starken Vertreibung. Berichte geben an, dass mehr als 400.000 Kinder aufgrund des anhaltenden Konflikts ihre Heimat verlassen mussten (ReliefWeb, 2.10.2024). Diese Massenvertreibung hat ihren Zugang nicht nur zu Bildung, Gesundheitsversorgung und wichtigen Dienstleistungen, sondern auch zu Nahrungsmitteln unterbrochen.

Die Nahrungsmittelkrise und ihre fatalen Folgen

Es wird geschätzt, dass im Januar 2025 etwa 29 % der Kinder im Libanon an Hunger auf Krisenlevel litten. Dies entspricht einem Anstieg der Zahl hungernder Kinder um fast 5 % im Zeitraum zwischen Oktober 2024 und Januar 2025. Der eskalierende Konflikt hat die landwirtschaftliche Produktion und die Lieferketten schwer geschädigt, was zu einem rasanten Anstieg der Nahrungsmittelpreise und einer geringeren Verfügbarkeit lebenswichtiger Güter führte. Infolgedessen sind viele Familien nicht in der Lage, ihre Kinder ausreichend zu ernähren (ReliefWeb, 2025).

Zwischen Dezember 2024 und März 2025 werden voraussichtlich etwa 1,65 Millionen Menschen von einer Hungerkrise betroffen sein – arunter etwa 526.000 Kinder. Die Verschlechterung ist hauptsächlich auf die Auswirkungen des Konflikts und der Vertreibungen aus verschiedenen Sektoren der libanesischen Wirtschaft zurückzuführen, wodurch die tiefe Wirtschaftskrise weiter verschärft wird (IPC, 2025).

Die sich verschärfende Hungerkrise zwang einige Familien zu extremen Überlebensstrategien, darunter Kinderarbeit, um ihre Grundbedürfnisse zu decken. Dies gefährdet nicht nur die Gesundheit und Entwicklung der Kinder, sondern setzt sie auch Ausbeutung und Missbrauch aus (Middle East Monitor, 2025).

Unzureichender Schutz und Gesundheitsrisiken

Während der Kriegshandlungen 2024 wurden libanesische Kinder in verschiedene Arten von Unterkünften gezwungen. Mit Ende Oktober 2024 waren etwa 400.000 Kinder vertrieben worden, viele suchten Zuflucht in Notunterkünften, öffentlichen Schulen oder bei Gastfamilien. Einige Familien hatten keine andere Wahl, als Zelte am Strand oder auf der Straße aufzustellen (Unicef, 23.10.2024).

Die Lebensbedingungen in diesen Unterkünften sind hart. Mit Oktober 2024 waren über 154.000 Vertriebene in 851 aktiven Unterkünften untergebracht, darunter auch öffentliche Schulen, von denen 70 % bereits voll ausgelastet waren. Nur einige von ihnen hatten Duschen, sanitäre Einrichtungen, warmes Wasser und Heizungen. Andere wohnten bei Gastfamilien, oft in überfüllten Haushalten (ReliefWeb, 2024).

Der Mangel an adäquaten Unterkünften setzt Kinder zahlreichen Gefahren aus, darunter Gesundheitsrisiken aufgrund schlechter sanitärer Einrichtungen und der Verbreitung von Infektionskrankheiten. Für Kinder im Libanon besteht ein wachsendes Risiko an Gesundheits- und Sicherheitsrisiken, unter anderem durch Wasser übertragene Krankheiten wie Cholera, Hepatitis und Durchfall.

Im Januar 2025 war die Lage noch immer kritisch. Während einige Vertriebene in ihre Heimatgebiete zurückkehrten, blieben viele in Notunterkünften. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) berichtet, dass rund 883.203 Menschen in ihre Heimatgebiete zurückgekehrt sind, während weiterhin 103.346 Vertriebene bleiben. Von diesen sind 3.055 Personen in 38 Sammelunterkünften registriert, überwiegend in Schulen oder anderen öffentlichen und privaten Gebäuden (IOM, 2025).

Lernen inmitten der Trümmer

Schon vor der Eskalation der Kriegshandlungen war das öffentliche Bildungssystem des Libanon belastet. Der Fünfjahresplan des Ministeriums für Bildung und Hochschulbildung (2021-2025) sah einen Anstieg der Zahl der an öffentlichen Schulen eingeschriebenen Schüler und Schülerinnen auf 540.000 bis 2025 vor. Dies setzte die bestehende Infrastruktur einem beispiellosen Druck aus (Ministry of Education and Higher Education of Lebanon, 2021). Die Kriegshandlungen von 2024 haben diese Herausforderungen noch verschlimmert und zu überfüllten Klassenzimmern und knappen Ressourcen geführt.

Da während der Kriegshandlungen fast 60 % aller öffentlichen Schulen als Unterkünfte für vertriebene Familien genutzt wurden und Hunderte von ihnen aus Sicherheitsgründen zerstört wurden und unzugänglich waren, wurde der Beginn des neuen Schuljahrs im Jahr 2024 verschoben (Unicef ​​USA, 16.10. 2024). Im November 2024 leitete das libanesische Bildungsministerium einen Plan zur Wiedereröffnung öffentlicher Schulen ein, in dem 175.000 Schüler und Schülerinnen, darunter 38.000 vertriebene Kinder, in 350 Schulen, die nicht als Unterkünfte genutzt werden, eingeschrieben werden sollten.

Jedoch müssen die Stundenpläne oft auf 3 Tage in der Woche komprimiert werden. Darüber hinaus sind sowohl die Lehrer und Lehrerinnen als auch die Kinder mental erschöpft und viele von ihnen sind nicht bereit, in die Schule zurückzukehren. Besorgniserregend ist auch, dass die Wiedereröffnung der Schulen schrittweise erfolgen soll, was in der Praxis bedeutet, dass einige Kinder ab Januar 2025 Zugang zur Bildung haben werden, andere jedoch nicht (Stezycki & Alkousaa, 2024).

Dringende Maßnahmen erforderlich

Angesichts des Risikos von Hunger, Ausbeutung und Missbrauch von Kindern, der Zahl der noch immer vertriebenen Kinder, der schwerwiegenden Unterbrechung der Bildung und zahlreicher anderer Risikofaktoren ist klar, dass libanesische Kinder dringend und umfassende Hilfe benötigen. Es muss vor allem sichergestellt werden, dass der im November 2024 unterzeichnete Waffenstillstand in Kraft bleibt.

Die Finanzierung von Nothilfeprogrammen, die speziell auf die Bedürfnisse von Kindern ausgerichtet sind, muss sowohl vom Libanon als auch von der internationalen Gemeinschaft Priorität haben. Dazu gehört die Bereitstellung finanzieller Hilfe für den Wiederaufbau beschädigter Schulen, die Bereitstellung psychologischer Unterstützung und die Sicherstellung, dass vertriebene Familien ausreichend Unterkunft und Nahrung erhalten, bis sie in ihre Heimat zurückkehren und ihr Leben wieder aufnehmen können.

Länder mit diplomatischem Einfluss sollten sich auch für humanitäre Korridore einsetzen, damit die Hilfe die betroffenen Regionen effizienter erreichen kann. Dies gilt insbesondere für Ernährungshilfe, da die Prognose für 2025 in diesem Bereich weiterhin trostlos aussieht.

Es ist unerlässlich, dass die Kinder so schnell wie möglich mit ihrer körperlichen und psychischen Genesung beginnen. Während die stufenweise Umsetzung des Plans zur Wiedereröffnung der Schulen und die Rückkehr der Menschen in ihre Heimat zwar ermutigende Schritte zur Stabilisierung der Situation sind, ist es trotzdem notwendig, diese Prozesse zu beschleunigen.

Kinderschutzprogramme von NGOs und internationalen Organisationen müssen erweitert werden, insbesondere in Gebieten, in denen die Vertreibung zu Überbelegung von Unterkünften und Schulen geführt hat. Dies kann erreicht werden, mobile Klassenzimmer indem in provisorischen Unterkünften eingerichtet werden, indem zusätzliche Lehrer und Lehrerinnen eingestellt und ausgebildet werden, um die Unterrichtsausfall zu kompensieren, und indem kinderfreundliche Räume geschaffen werden, die psychologische und soziale Unterstützung anbieten.

Von essentieller Bedeutung ist auch die Verteilung lebenswichtiger Lieferungen wie Winterkleidung, Hygieneartikel und Nahrungsergänzungsmittel, um Krankheitsausbrüche und Mangelernährung von vertriebenen Kindern zu verhindern.

Auch der Einzelne kann durch gezielte und praktische Hilfe viel bewirken. Bei Humanium setzen wir uns dafür ein, Kinder in kritischen Situationen weltweit zu schützen, insbesondere diejenigen, die nicht in der Lage sind, für sich selbst einzutreten. Sie können unsere Arbeit unterstützen, indem Sie spenden, eine Patenschaft übernehmen oder sich ehrenamtlich bei uns engagieren.

Geschrieben von Zeljka Mazinjanin

Übersetzt von Kathrin Lukas

Lektorat von Claudia Flanner

Quellen:

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