Das Versagen des israelischen Rechtssystems, insbesondere im Bereich der Pädophilie, offenbart tief verwurzelte Probleme im Hinblick auf Gerechtigkeit und Verantwortlichkeit und wirkt sich auf die Gesellschaft aus. Täterinnen und Täter machen sich das israelische Rückkehrgesetz zunutze, um sich der Strafverfolgung zu entziehen, während aufmerksamkeitserregende Fälle wie der von Malka Leifer ein Schlaglicht auf Auslieferungen und deren rechtliche Hürden werfen. Trotz geringfügiger Reformen bedarf es strengerer rechtlicher Maßnahmen und internationaler Zusammenarbeit, um diese Probleme wirksam anzugehen.
Kriminelle Ausnutzung des israelischen Staatsbürgerschaftsrechts
Viele angeklagte Pädophile aus den USA sind nach Israel geflohen und machen sich das Rückkehrgesetz zunutze, das jüdischen Personen und ihren Familien automatisch und mit wenigen Auflagen die Staatsbürgerschaft gewährt. Vorstrafen werden zwar überprüft, doch die Täterinnen und Täter können diese Anforderungen auf verschiedene Weise umgehen und sich so der Justiz entziehen (Walker, 2016).
Jewish Community Watch (JCW), eine amerikanische Organisation, die diese Personen ausfindig macht, setzt sich seit 2014 dafür ein, sie vor Gericht zu bringen. Sie berichtet von mehr als 60 Verdächtigen, die aus den USA nach Israel geflohen sind, geht jedoch aufgrund ihrer begrenzten Ressourcen davon aus, dass die tatsächliche Zahl darüber liegt (Lee, 2020).
Zusätzlich zu den oben genannten Statistiken schätzt die Matzof Association, die Pädophilie in Israel überwacht, dass jedes Jahr zehntausende Täterinnen und Täter aktiv sind und etwa 100.000 Opfer jährlich betroffen sind. Allein im Juli 2020 wurden den Medien 22 Fälle von Pädophilie in Israel gemeldet (Jean, 2020).
Israel hat das Fakultativprotokoll zu Kinderhandel, Kinderprostitution und Kinderpornographie am 14. November 2001 unterzeichnet und am 23. Juli 2008 ratifiziert. Bei diesem Protokoll handelt es sich um eines der drei Fakultativprotokolle zur 1991 von Israel ratifizierten Kinderrechtskonvention (KRK), die alle Kinder, einschließlich jener in den palästinensischen Autonomiegebieten, vor Ausbeutung und Missbrauch schützen sollen (United Nations, n.d.). Trotz einiger bereits unternommener Schritte, sind weitere Maßnahmen zum Schutz kleiner Kinder dringend erforderlich.
Flüchtige mit hohem Bekanntheitsgrad in Israel
Ein viel beachteter Fall ist der von Malka Leifer, der ehemaligen Direktorin einer jüdischen Religionsschule in Melbourne, die nach Israel floh, nachdem ihr sexueller Missbrauch an mehr als 70 Schülerinnen und Schülern vorgeworfen wurde. Sieben Jahre lang entzog sich Leifer der Auslieferung nach Australien, indem sie sich auf eine psychische Erkrankung berief.
Dieser besondere Fall illustriert, wie israelische Persönlichkeiten aus Medizin, Strafverfolgung und Politik sich dafür einsetzten, Leifers Auslieferung zu verhindern. Medizinische Berichte wurden gefälscht, und der israelische Gesundheitsminister war an der Behinderung des Verfahrens beteiligt, wodurch Leifer vor der Justiz geschützt wurde (Mendelssohn, 2024).
Private Ermittlerinnen und Ermittler kamen Leifer jedoch auf die Schliche, als sie eine kleine israelische Gemeinde ausspionierten, was dazu führte, dass sie wegen sexueller Nötigung ausgeliefert werden konnte. Die Ermittlung widerlegte die Behauptung, Leifer sei geistig unzurechnungsfähig, indem sie mehr als 200 Stunden verdecktes Filmmaterial vorlegte, das sie bei alltäglichen Aktivitäten zeigte und ihre Verteidigung widerlegte. Diese Beweise führten zu ihrer erneuten Verhaftung und schließlich zu ihrer Auslieferung nach Australien im Jahr 2021 (Silva, 2023).
Ein weiterer aufsehenerregender Fall ist der von Tomas Zeron, dem ehemaligen Leiter der mexikanischen Strafverfolgungsbehörde, der wegen seiner Rolle im Zusammenhang mit dem Verschwinden von 43 Studierenden im Jahr 2014 und wegen des Vorwurfs der Folter gesucht wird. Seit seiner Flucht nach Israel im Jahr 2019 führt Zeron ein bequemes Leben in Tel Aviv. Berichten zufolge ist es unwahrscheinlich, dass Israel ihn ausliefern wird, wobei man sich auf Verfahrensfehler und die Unterstützung Mexikos für UN-Untersuchungen zu israelischen Kriegsverbrechen beruft (Obel, 2023).
Ein aktuelles Beispiel ist Bryan Singer, der für „X-Men“ bekannte Regisseur, der in Israel lebt und mit mehreren Filmprojekten ein Comeback plant. Trotz anhaltender Anschuldigungen wegen sexueller Übergriffe auf Minderjährige, die er bestreitet, scheint Singer von den günstigen Bedingungen Israels für jüdische Einwanderinnen und Einwanderer zu profitieren. Seine neuen Projekte, darunter ein Dokumentarfilm über seine Erlebnisse, lassen vermuten, dass er möglicherweise keine rechtlichen Konsequenzen zu befürchten hat (The Times of Israel, 2023).
Zuflucht für Kriminelle in den Siedlungen im Westjordanland

Viele Sexualstraftäterinnen und -täter, darunter auch Malka Leifer, finden in ultraorthodoxen Siedlungen im Westjordanland Zuflucht (The Jewish Independent, 2024). Mehr als 700.000 israelische Siedlerinnen und Siedler leben in diesen Gebieten und besetzen damit palästinensisches Land in 150 von der Regierung unterstützten Siedlungen, die völkerrechtlich als illegal gelten. Die Regierung finanziert auch nicht genehmigte Außenposten und ermöglicht damit verurteilten Straftäterinnen und Straftätern ein Leben ohne größere Einschränkungen (Al Jazeera, 2023).
Dies hat dazu geführt, dass die Siedlungen im Westjordanland wiederholt wegen schwerwiegender Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs von Kindern, einschließlich Vergewaltigung und Kinderpornografie, unter die Lupe genommen wurden. Diese Fälle, bei denen es sich um umfassende Online-Ausbeutung und persönliche Übergriffe handelt, bekräftigen einen beunruhigenden Trend, da die Siedlungen dafür bekannt sind, Personen, die sexueller Vergehen beschuldigt werden, für längere Zeit einen Unterschlupf zu bieten (The Times of Israel, 2023).
Einer der bekanntesten Fälle betrifft den jüdischen Siedler Uriah Assis, der wegen zahlreicher Sexualdelikte, darunter Vergewaltigung und sexuelle Belästigung, angeklagt wurde. 105 Opfer, hauptsächlich minderjährige Mädchen, waren von diesen betroffen. Der Täter benutzte mehrere Decknamen, um junge Mädchen und Frauen anzusprechen und zu missbrauchen. Zu den Anklagepunkten gehören Vergewaltigung, Sodomie, sexuelle Belästigung sowie Besitz und Herstellung von pornografischem Material (The Palestine Chronicle, 2019).
Verbesserung des Opferschutzes: Israels Bemühungen und Defizite
Die Zahl der Sexualstraftäterinnen und -täter in israelischen Gefängnissen ist von 350 im Jahr 1997 auf 1.300 im Jahr 2009 angestiegen, was auf eine stärkere Sensibilisierung der Öffentlichkeit und der Strafverfolgungsbehörden hindeutet. Als Reaktion auf die wachsende Besorgnis über Sexualstraftaten an Kindern verabschiedete das israelische Parlament 2006 ein Gesetz zum Schutz der Allgemeinheit vor Sexualstraftätern. Das Gesetz sieht eine auf der Gefährlichkeit der Täterin bzw. des Täters basierende Risikobewertung und die Festlegung von Überwachungsmaßnahmen vor (Birger et al., 2011).
Überaus besorgniserregend ist jedoch, dass ein Drittel der wegen Sexualdelikten verurteilten Häftlinge sich weigern, an den vorgeschriebenen Rehabilitationsprogrammen teilzunehmen, und 75 % vorzeitig entlassen werden, ohne ihre Strafe vollständig verbüßt zu haben. Darüber hinaus wurden fast 90 % der Fälle von Sexualdelikten, in die Offiziere der israelischen Armee verwickelt waren, zunächst eröffnet, dann aber ohne Anklageerhebung eingestellt (Middle East Monitor, 2022).
Zur Anpassung an globale Standards muss die Regierung spezielle Gesetze zur Bekämpfung von Pädophilie einführen, den Schutz vor Ausbeutung im Internet erhöhen und die Regelungen zur Rehabilitierung von Straftäterinnen und -tätern verbessern. Darüber hinaus sind härtere Urteile für jugendliche Pädophile, die Einbeziehung der Familie des Opfers in die Restriktionen nach der Inhaftierung und beschleunigte Gesetzesreformen erforderlich.
Zum Schutz der israelischen und palästinensischen Kinder muss die Regierung die internationale Zusammenarbeit verstärken, um die Auslieferung von Straftäterinnen und Straftätern zu beschleunigen, strengere Hintergrundkontrollen durchsetzen und die völkerrechtlich illegale Ansiedlung von Straftäterinnen und Straftätern im Westjordanland verhindern. Diese Maßnahmen sind unerlässlich, um Wiederholungstaten zu verhindern und Menschen zur Verantwortung zu ziehen.

Um die Rechte der Kinder auf der ganzen Welt zu schützen, nimmt sich Humanium schwerwiegender Probleme, wie der Pädophilie-Krise und anderer Arten des Missbrauchs, an. Hierfür sind globale Sensibilisierung und kontinuierliche Aufklärungsarbeit notwendig. Engagieren Sie sich, indem Sie spenden, ehrenamtlich mitarbeiten oder Mitglied werden.
Geschrieben von Lidija Misic
Übersetzt von Claudia Flanner
Korrektur gelesen von Rebecca Richter
Literaturhinweise:
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