Die "Restavek"-Kinder auf Haiti – ein Leben in moderner Sklaverei

Posted on Posted in Allgemein

shutterstock_93441715Sklaverei wurde offiziell abgeschafft. Doch verschließen wir die Augen vor der Tatsache, dass weltweit Männer, Frauen und Kinder auf unmenschliche Art wie Sklaven leben und arbeiten müssen, wenn auch oft auf weniger offensichtliche Weise. So traurig es ist: Millionen von Menschen leiden noch immer unter Formen moderner Sklaverei, auch wenn ihre Situation meist anders benannt wird. In den meisten Regionen dieser Welt, und ganz konkret in Haiti (von dem dieser Artikel handeln wird), erinnert manche Form der Dienstleistung sehr an die vor Hunderten von Jahren vorherrschende Vorstellung, Sklaven seien Gebrauchsgegenstände. Das gilt vor allem für die Schwächsten der Gesellschaft, die Kinder.  Die sogenannten „Restavek“-Kinder werden von ihren Eltern in Familien gegeben, die sie als Hausangestellte übernehmen. Diese Kinder müssen alle ihnen aufgetragenen Aufgaben erledigen. Dafür bekommen sie kein Geld und leben unter harten Bedingungen.

Ziel dieses Artikels ist es, auf diese verdeckte Form der Sklaverei aufmerksam zu machen, denn sie ist die schlimmste Art der Kinderarbeit. Diese Ausbeutung von Kindern ist auf das Schärfste zu verurteilen, denn sie nimmt den Kindern auf Haiti das Recht auf eine gesunde Entwicklung und Entfaltung.

Das Phänomen der „Restaveks“ auf Haiti: Aus Solidarität wird Sklaverei

Die Bezeichnung „Restavek“ ist kreolisch und bedeutet „reste avec“, also „bleibt bei jemandem“. Dieses System entspringt einer sehr alten haitischen Tradition und ist fest in der Kultur des Landes verwurzelt. Ursprünglich sollte damit Kindern aus sehr armen Familien geholfen werden. Das heißt, Eltern in großer Notlage, meist auf dem Land lebend, entscheiden, ihre Kinder zu wohlhabenderen Familien zu geben, um ihnen eine shutterstock_67465708bessere Zukunft zu ermöglichen. Im Gegenzug für kleine Dienstleistungen durften diese Kinder zur Schule gehen.

Die Wirklichkeit, die sich hinter diesem Tauschhandel mit den Kindern verbirgt, sieht allerdings heute ganz anders aus. Die leiblichen Eltern leben in dem falschen Glauben, ihre Kinder könnten zu Schule gehen, sie seien gut versorgt und ihre Perspektiven seien nun deutlich besser, als wenn sie auf dem Land blieben. In Wirklichkeit aber – für die Eltern jenseits jeder Vorstellung – nehmen sie ihren Kindern Sicherheit und Wohlergehen und liefern sie einem Leben als „Restavek“ aus.

Meistens werden die „Restavek“-Kinder, denen der Schulbesuch vorenthalten wird, als Hausangestellte eingesetzt. Sie werden mit Arbeit überfrachtet und erfahren körperliche und verbale Gewalt. Damit klar wird, was für ein Leben sie führen: Sie stehen um vier oder fünf Uhr morgens auf und gehen erst spät wieder schlafen. Und zwar in ihrer „Schlafstatt“, die sich meist unter dem Küchentisch befindet. Mit fünf, acht oder zehn Jahren arbeiten sie den ganzen Tag – sie fegen, putzen, bohnern das Haus; fahren die Kinder ihres Herrn zur Schule; gehen Holz, Kohle und Wasser holen; kaufen ein, kochen. Sie selbst bekommen dabei oft nicht einmal genug zu essen, um satt zu werden, sie werden geschlagen, beleidigt und in ihrem Stolz verletzt – und das den ganzen Tag lang.

Diese Kinder sind in ihrer neuen Familie gefangen, haben keine Möglichkeit, mit ihren Eltern zu sprechen, werden geschlagen und grob behandelt, wenn sie den Wunsch äußern, zu ihren Familien auf dem Land zurückzukehren.

Man geht davon aus, dass es aktuell 150.000 bis 500.000 „Restavek“-Kinder gibt. Die meisten sind Mädchen und sexueller Gewalt und Vergewaltigungen besonders ausgeliefert.

Die „Restaveks“ auf Haiti: eine der schlimmsten Formen der Kinderarbeit, die trotz nationaler und internationaler Gesetze fortbesteht

Auf Haiti gibt es zahlreiche gesetzliche, nationale und internationale Bestimmungen, welche die Ausbeutung von Kindern und Kinderarbeit verbieten. Mit Blick auf die wachsende Zahl an „Restavek“-Kindern sind diese Bestimmungen allerdings das Papier nicht wert,shutterstock_226892272 auf dem sie stehen.

Haiti hat die Kinderrechtskonvention ohne Vorbehalte ratifiziert. Darin wird unter anderem an mehreren Stellen die wirtschaftliche Ausbeutung von Kindern verboten, ebenso wie alle Formen gefährlicher Arbeit, die der Ausbildung oder der Entwicklung des Kindes schaden könnten. Sie enthält außerdem das Recht auf Schutz vor jeglicher sexuellen Ausbeutung und vor Menschenhandel (Artikel 32, 34, 35).

Außerdem hat Haiti am 19. Juli 2007 das Übereinkommen Nr. 182 der Internationalen Arbeitsorganisation ratifiziert. Darin geht es um die schlimmsten Formen der Kinderarbeit. Artikel 3 benennt diese explizit, darunter alle Formen der Sklaverei „wie den Verkauf von Kindern und den Kinderhandel, Schuldknechtschaft und Leibeigenschaft sowie Zwangs- oder Pflichtarbeit“ und „Arbeit, die ihrer Natur nach oder aufgrund der Umstände, unter denen sie verrichtet wird, voraussichtlich für die Gesundheit, die Sicherheit oder die Sittlichkeit von Kindern schädlich ist.“

Darüber hinaus gelten die nationalen Gesetze wie die haitische Verfassung von 1987, in der kostenloser Schulbesuch und Schulpflicht für alle Kinder festgeschrieben sind, und das haitische Arbeitsrecht, das Arbeitsbedingungen, Mindestarbeitsalter für Kinder und Sanktionen bei Verstößen gegen die Rechte des Kindes festlegt.

Einsatz für die „Restavek“-Kinder auf Haiti und in der Welt

Auf Haiti werden sie „Restavek“ genannt, aber Kinder überall auf der Welt leben unter ähnlichen Bedingungen, besonders in afrikanischen Ländern. Tausende Kinder verrichten dort Dienste bei reichen Stadtfamilien.shutterstock_333537824

Eltern, die aufgrund ihrer Armut nicht mehr ein noch aus wissen und ihren Kindern eine bessere Zukunft bieten wollen, machen den Fehler, ihre Kinder Verwandten oder Bekannten anzuvertrauen, die in den großen Städten leben. Die Eltern hoffen, dass sie ihren Kindern damit Bildung und Entfaltung ermöglichen. Sie haben keine Vorstellung von dem Leben, das ihre Kinder in der fernen Stadt dann wirklich ertragen müssen.

Oft werden die Kinder misshandelt, missbraucht und immer wieder gedemütigt. Sie können ihre Bedürfnisse nicht äußern und sind gefangen in der Sklaverei, während sie auf ihre Freilassung hoffen.

Wir wollen die ursprünglichen Traditionen, die tief in der haitischen Kultur verwurzelt sind und in der Vergangenheit durchaus Gutes hervorgebracht haben, nicht verändern oder kritisieren. Was shutterstock_242916058wir jedoch verurteilen, sind die moderne Sklaverei und der Kinderhandel, die daraus inzwischen entstanden sind.

Trotz der Bemühungen des haitischen Staates und vieler internationaler Organisationen, das Problem der „Restavek“-Kinder einzudämmen, ist noch ein weiter Weg zu gehen.

Für eine Lösung wären pragmatischere Maßnahmen zur Sensibilisierung und Sanktionierung wichtig.

Geschrieben von: Diane BE
Übersetzt von: Deborah Leyendecker
Überprüft von: Petra Friedmann

http://www.ilo.org/public/french/comp/child/download/pdf/esclavage.pdf

http://www.unicef.org/french/protection/haiti_61518.html

http://www.ohchr.org/fr/professionalinterest/pages/crc.aspx

http://www.rfi.fr/emission/20130923-haiti-le-travail-enfants-restavek

https://www.bu.edu/law/files/2015/08/frenchcurriculahaitian.pdf

http://www.ledevoir.com/international/actualites-internationales/314783/les-restaveks-plaie-ouverte-d-haiti