Die Kinder von Guinea-Bissau

Die Umsetzung der Rechte der Kinder in Guinea-Bissau

Die Kinderrechte in Guinea-Bissau sind in einer prekären Lage und ihre Verwirklichung wird durch politische und militärische Unruhen sowie durch eine instabile Lage im Land verhindert. Das verzögert die Angleichung nationaler Gesetze an internationale Bestimmungen weiterhin. Für Kinder besteht ein Risiko für Kinderheirat, Kinderarbeit, Kinderhandel, geschlechtsspezifische Ungleichheiten, körperliche Bestrafung und weibliche Genitalverstümmelung. Außerdem sind sie mit den Folgen des Klimawandels konfrontiert.

Index der Realisierung von Kinderrechten: 4,98/10
Schwarz Stufe:
sehr Schwierige Situation

Bevölkerung: 1,9 Millionen

Bev. 0-14 Jahren: 41,9%

Lebenserwartung: 58 Jahre

Kindersterblichkeit: 84 ‰

Guinea-Bissau auf einen Blick

Guinea-Bissau ist eine frühere Kolonie Portugals und befindet sich an der Atlantikküste im Westen Afrikas. Zudem gehört das Bissagos-Archipel zu Guinea-Bissau. Es besteht aus mehr als 100 Inseln, von denen mehr als 20 bewohnt sind. Im Norden grenzt das Land an den Senegal und im Süden grenzt es an Guinea. Es ist eines der ärmsten und instabilsten Länder der Welt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) von Guinea-Bissau gehört zu den niedrigsten auf der Welt (World Bank, 2020).

Die Geschichte Guinea-Bissaus ist gekennzeichnet von politischer Unruhe und instabilen Institutionen. Dies ist auf den Kampf um die Unabhängigkeit des Landes von der Kolonialherrschaft Portugals zurückzuführen. Während des frühen 20. Jahrhunderts wurde Guinea-Bissau durch das koloniale System extrem unterdrückt und ausgebeutet.

Im Jahr 1973 erlangte das Land schließlich seine Unabhängigkeit und wurde international als Staat anerkannt. Das war das Ergebnis eines lange andauernden bewaffneten Konflikts zwischen einer Unabhängigkeitsbewegung und den Kolonialmächten (UNICEF, 2021). Seit der Unabhängigkeit gab es 4 Putsche und 16 Putschversuche (World Bank, 2020).

Im Dezember 2019 führten die Präsidentschaftswahlen zu politischer Instabilität. Das Oberste Gericht der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) und die Europäische Union ernannten daraufhin Umaro Sissoco Embalo zum Präsidenten des Landes (World Bank, 2020).

Seit Beginn der 200er Jahre besteht in Guinea-Bissau ein ungezügelter Drogen- und Menschenhandel. Im Jahr 2006 wurde durch internationale Hilfe der Menschenhandel an der Küste des Landes verhindert. Im Jahr 2011 brach die Europäische Union (EU) ihre Mission zur Reformierung des Sicherheitssektors in Guinea-Bissau mit der Begründung ab, dass das Land verantwortungsvolle Staatsführung und Rechtsstaatlichkeit nicht respektiere. Die Häfen an der Küste Guinea-Bissaus ist noch immerein Umschlagplatz von lateinamerikanischen Drogenschmugglern (BBC Monitoring, 2020).

Status der Kinderrechte[1]

Guinea-Bissau hat sich zur Einhaltung verschiedener internationaler Übereinkünfte zum Schutz von Kinderrechten verpflichtet. 1990 ratifizierte die Regierung die UN-Kinderrechtskonvention und die Afrikanische Charta über die Rechte und das Wohlergehen des Kindes. Im Jahr 2010 ratifizierte Guinea-Bissau das Fakultativprotokoll zum Verkauf von Kindern, Kinderprostitution und Kinderpornographie sowie im Jahr 2014 das Fakultativprotokoll zur Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten. Das Inkrafttreten der Kinderrechtskonvention sowie der Fakultativprotokolle waren zentrale Maßnahmen zur Verwirklichung eines effektiven Kinderschutzsystems für die Kinder in Guinea-Bissau durch die Regierung (João & Handem, 2011).

Seit der Ratifizierung der Kinderrechtskonvention verläuft die Anpassung nationaler Gesetze im Einklang mit der Konvention nur langsam. Diese Verzögerungen sind auf politische und militärische Instabilität, Mangel an politischem Willen und die Unfähigkeit der Politiker, die Anpassung von Gesetzten zu priorisieren und zu beschleunigen, zurückzuführen. Lokale und internationale Nichtregierungsorganisationen (NGOs) haben dazu aufgerufen, Kirchenvertreter und traditionelle Stammesoberhäupter in die Frühphase dieser Prozesse mit einzubeziehen. So soll sichergestellt werden, dass religiöse oder kulturelle Normen nicht zu schädlichen Praktiken führen (João & Handem, 2011).

Integrative Ansätze in Bezug auf Kinderrechte sind nötig, um das niedrige Bildungsniveau und den Analphabetismus im Land zu bekämpfen. In Ermangelung eines effizienten Rechtssystems sind Bottom-up-Ansätze in Bezug auf Kinderrechte dringend erforderlich (João & Handem, 2011).

Verschiedene Kinderrechtsorganisationen, darunter das Institut für Frauen und Kinder, haben hauptsächlich für die Verbreitung der Kinderrechtskonvention in Guinea-Bissau gesorgt. Es wurden überwiegend nationale Aufklärungskampagnen in Gemeinden und Schulen über verschiedene Medien durchgeführt: über das Radio, Broschüren, Videos, Theaterstücke und Vorträge.

Trotz dieser Bemühungen führen eine hohe Analphabetisierungsrate und konkurrierende traditionelle, kulturelle und religiöse Ansichten dazu, dass die Empfehlungen der Kinderrechtskonvention nur selten umgesetzt werden (João & Handem, 2011). In der Praxis gibt es eine weitere Herausforderung beim Ansatz der Regierung: die Konvention wird ohne die notwendige Sensibilisierung für das Thema und ohne Weiterbildungsmaßnahmen zu ihren Inhalten verbreitet (João & Handem, 2011).

Guinea-Bissau hat die Kinderrechtskonvention noch immer nicht in die lokalen Sprachen übersetzt, die am meisten verbreitet sind. Dadurch sehen sich Institutionen und Organisationen oft gezwungen, sie für jeden Einzelfall provisorisch zu übersetzen und für die Übersetzung gegebenenfalls auf die portugiesische Version auszuweichen. Außerdem haben nationale Behörden das nationale Recht immer noch nicht an die Kinderrechtskonvention und andere internationale Übereinkünfte angepasst, sodass die Umsetzung internationaler Standards erschwert und die Bemühungen von Aufklärungskampagnen untergraben werden.

Ohne ausreichende Rahmenbedingungen für die rechtliche Sicherung von Kinderrechten ist das Land auf archaische Gesetze der Kolonialherrschaft angewiesen, die die Wichtigkeit von Kindern und deren Herausforderungen herabsetzen. Aufgrund all dieser Faktoren sind die Sorgen von Kindern der allgemeinen Bevölkerung nicht sehr wichtig. Sie haben keine Relevanz in ihrem Alltag (João & Handem, 2011).

Im Jahr 1990 rief Guinea-Bissau als Ergebnis des 1987 geschaffenen interministeriellen Kinderschutzkommittees die erste nationale Kinderkommission ins Leben. In dieser Zeit nahm das Land am hochrangigen ersten Weltkindergipfel in New York teil. Das Ziel des Gipfels war es, über Prioritäten und Maßnahmen zur Verbesserung der Kinderrechte auf globaler Ebene bis 200 zu diskutieren.

Der erste Nationale Aktionsplan für Kinder wurde 1992 entworfen, verabschiedet und umgesetzt (João & Handem, 2011). Seit der Umsetzung dieses Nationalen Aktionsplans, der das Jahrzehnt von 1992 bis 2002 abdeckte, wurde an keiner neuen nationalen Strategie oder Maßnahme für Kinder gearbeitet. 

Der erste Staatenbericht Guinea-Bissaus zur Umsetzung der Kinderrechtskonvention sollte 1997 vorgelegt werden. Wegen militärischer und politischer Konflikte, die bis 1999 andauerten, wurde der Bericht jedoch erst im Jahr 2000 dem Ausschuss der Rechte der Kinder vorgelegt. Seit den frühen 200er Jahren hat Guinea-Bissau an verschiedenen nationalen, regionalen und internationalen Strategien und Vereinbarungen zur Verbesserung der Kinderrechte mitgewirkt und sich ihnen verpflichtet.

Dazu gehören die nationale Kampagne zur Geburtenregistrierung in Zusammenarbeit mit UNICEF und die Teilnahme am internationalen Aktionsplan „A World Fit for Children“, bei dem vier Schwerpunkte behandelt werden: die Förderung eines gesunden Lebens, besser Bildungsqualität, der Schutz von Kindern vor Missbrauch, Ausbeutung und Gewalt und die Bekämpfung von HIV/AIDS (João & Handem, 2011). 

Auf gesetzgeberischer Seite gibt es verschiedene Bestimmungen, die dem Schutz der Kinder dienen. Dazu gehören die Verfassung der Republik Guinea-Bissau, das Gerichtsverfassungsgesetz, das Strafgesetzbuch und das Gesetz zur Rechtshilfe von Minderjährigen.

Trotz ihres Vorhandenseins werden diese Rechtsvorschriften nur ungenügend umgesetzt. Außerdem wurden sie noch nicht an die internationalen Übereinkünfte angepasst, die das Land unterschrieben und ratifiziert hat. Der soziale Schutz von Kinder ist immer noch ungenügend, vor allem, was den Zugang von Kindern zu Kinderschutzsystemen sowie zu grundlegenden Sozialleistungen angeht (João & Handem, 2011).  

Das Minderjährigenrecht ist eine kritische Angelegenheit in Guinea-Bissau. Bestehende Rechtsvorschriften und das Fallmanagement werden nur ungenügend umgesetzt. Die Regelungen des Jugendstrafsystems entsprechen nicht denen der Kinderrechtskonvention und anderer internationaler Menschenrechtsübereinkünften, wie zum Beispiel den Mindestgrundsätzen der Vereinten Nationen für die Jugendgerichtsbarkeit („Beijing-Regeln“), den Leitlinien der Vereinten Nationen für die Verhütung der Jugendkriminalität („Riad-Leitlinien“) und den Regeln der Vereinten Nationen für den Schutz von Jugendlichen, denen ihre Freiheit entzogen ist („Havanna-Regeln“) (UNICEF, 2021).

Auf die Bedürfnisse von Kindern in Guinea-Bissau eingehen

Recht auf Bildung

In Guinea-Bissau ist die Schulbildung in 3 Zyklen eingeteilt. Der erste geht von der 1. bis zur 4. Klasse und heißt „EB1“. „EB2“ umfasst die Klassenstufen 5 und 6. Der dritte Zyklus, „EB3“, geht von der 7. bis zur 9. Klasse. Während in den ersten beiden Zyklen eine allgemeine Schulpflicht besteht (Grundschulbildung), müssen Familien für den 3. Zyklus (Sekundarschulbildung) Schulgebühren zahlen (UNICEF, 2021). Eines der größten Hindernisse für den Schulbesuch von Kindern ist die physische Zugänglichkeit.

Der durchschnittliche Weg zur Schule beträgt 2,2 Kilometer; dies variiert jedoch je nach Region. In einigen Regionen liegt der durchschnittliche Schulweg bei 6 Kilometern. In Bissau, der Hauptstadt, laufen Kinder bis zu 3 Kilometer zur Schule. Oft müssen sie ihre eigenen Stühle mitbringen (UNICEF, 2021). 

Für viele Kinder in Guinea-Bissau bleibt der Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung eine Herausforderung: Das Land hat die niedrigste Grundschul-Abschlussrate in Westafrika. Die Haupthindernisse in Bezug auf Bildung sind körperliche Behinderungen, niedrige Einschulungsraten, geschlechtsspezifische Ungleichheiten und Armut.

Außerhalb der Städte trägt der Mangel an Zugang zu Schulen, vor allem zu Sekundarschulen, zu den niedrigen Einschulungsraten bei. Zugang zu Bildung ist weiterhin eine Herausforderung für Kinder in Guinea-Bissau. Gründe dafür sind Lehrerstreiks, Kinderarbeit, Frühverheiratung, unzureichende Mittel für Unterrichtsmaterialien und mangelhafte Bildungseinrichtungen. Zwischen 2016 und 2017 fielen durch Lehrerstreiks 46 % der Unterrichtstage aus (Borgen Project, 2021).

Im Jahr 2019 beendeten 27,2 % der Kinder in Guinea-Bissau die Grundschule. Die Hauptgründe für diese niedrige Schulabschlussrate sind frühe Schulabbrecher oder Kinder, die erst später Zugang zu Bildung bekommen. Ein Drittel der 6- bis 11-Jährigen geht nicht zur Schule.

Diese Kinder sind entweder nie zur Schule gegangen oder haben diese abgebrochen. Es gibt große Unterschiede zwischen dem städtischen und dem ländlichen Raum. Von den 27,2 % der Kinder, die die Grundschule abschließen, kommen 10 % aus der Stadt und 36 % vom Land (UNICEF, 2021).

Dem Schulpersonal in Guinea-Bissau fehlt es oft an Weiterbildungen zu den Themen inklusive Bildung und gleiche Chancen für alle Schüler. Das wird besonders deutlich bei Kindern mit Behinderungen und bei Mädchen. Für Kinder mit Behinderungen stellen der Mangel an angemessener Infrastruktur und an geeigneten Fortbildungen für die Lehrer und das Personal Hindernisse zu einer inklusiven Bildung dar. Schulen fehlt es oft an geeigneten sanitären Einrichtungen, die für Mädchen wichtiger sind als für Jungen (UNICEF, 2021).

Recht auf Gesundheit

In Guinea-Bissau ist der Zugang zum Gesundheitssystem, zu Essen und sauberem Trinkwasser nach wie vor schwierig. Krankheiten wie Malaria, Tuberkulose, Cholera, Mangelernährung, Infektions- und Atemwegserkrankungen, Durchfallerkrankungen und HIV/AIDS sind im ganzen Land weit verbreitet und tragen zur hohen Kindersterblichkeit bei. Krankenhäuser und medizinische Versorgungszentren sind in einem sehr schlechten Zustand.

Die meisten haben keine angemessenen medizinischen Geräte und können ihre Patienten mehr schlecht als recht versorgen. Öffentliche Haushalte und Korruption haben im ganzen Land Auswirkungen auf die Gehälter von Ärzten, Krankenschwestern und anderen Angestellten im Gesundheitswesen, die oft nicht bezahlt werden.

Dies hat zu einer sich verschlimmernden Arbeitsumgebung geführt (João & Handem, 2011). Aus den oben genannten Gründen sind die Möglichkeiten der medizinischen Infrastruktur stark eingeschränkt, weswegen das Gesundheitswesen in Guinea-Bissau stark auf internationale Hilfe angewiesen ist (João & Handem, 2011).

Die Kindersterblichkeitsrate für Kinder unter 5 Jahren liegt in Guinea-Bissau bei 84 von 1.000 Lebendgeburten. Diese besorgniserregenden Zahlen sind ein Symbol für den weit verbreiteten Mangel an angemessener Ausstattung in den Krankenhäusern und für die anhaltend hohe Mangelernährung im Land. In Guinea-Bissau gilt Unterernährung als Herausforderung für das öffentliche Gesundheitswesen, die in der Lebensmittelunsicherheit begründet ist.

Im ganzen Land gibt es 78 Ernährungsrehabilitationszentren, die aber leider wenig Erfolg haben. Ein Grund für den begrenzten Erfolg ist die Tatsache, dass Kinder oft von Besuchen sehr erschöpft sind, weswegen Eltern ihre Kinder nicht gerne zu diesen Zentren bringen. Außerdem begleiten die Zentren die Patienten nicht ausreichend, sodass diese ihre Behandlung oft vorzeitig abbrechen (UNICEF, 2021).

Die Ernährungsrehabilitationszentren haben Kinder in vier verschiedenen Regionen auf HIV getestet und konnten bestätigen, dass die Zahlen sich zwischen 2015 und 2017 erhöht haben. Schätzungsweise 5,3 % der Einwohner Guinea-Bissaus zwischen 15 und 49 Jahren leben mit HIV/AIDS. Das ist die zweithöchste Rate in West-Afrika (UNICEF, 2021).

Zusätzlich zur unzureichenden Finanzierung hat das Gesundheitssystem nur beschränkten Zugang zu notwendigen Geräten und Medikamenten, was das überarbeitete Personal noch mehr belastet. Laut einer von UNICEF durchgeführten Recherche gibt es nur 1,7 Ärzte pro 10.000 Einwohner in Guinea-Bissau. Bei Kinderärzten sind es noch weniger, nämlich 3 Ärzte pro 720.000 Kinder unter 15 Jahren (UNICEF, 2021).

Recht auf sauberes Trinkwasser und Sanitäreinrichtungen

Die Verfügbarkeit von sauberem Trinkwasser und von Sanitäreinrichtungen ist immer noch eine Herausforderung in Guinea-Bissau. Zwischen Stadt und Land gibt es dabei riesige Unterschiede. Eine Bericht von UNICEF aus dem Jahr 2014 stellte fest, dass 50 % der installierten Handpumpen entweder nicht funktionierten oder Mängel aufwiesen, die zu unsicheren Trinkwasserquellen beitrugen.

13 % der Einwohner Guinea-Bissaus haben Zugriff auf verbesserte Sanitäreinrichtungen, 27 % der städtischen und 2 % der ländlichen Bevölkerung teilten sich die Sanitäranlagen mit anderen Personen und 1,7 % der städtischen und 30,2 % der ländlichen Bevölkerung praktizieren öffentliche Defäkation. Als Folge leiden die Kinder Guinea-Bissaus an epidemischen Krankheiten und ihr Gesundheitszustand ist allgemein schlecht (UNIOGBIS-HRS/OHCHR, 2017). Der Zugang zu sauberem Trinkwasser und verbesserten Sanitäreinrichtungen bleibt niedrig in Guinea-Bissau.

Sehr wenige Kinder, nämlich 6 von 10, trinken Wasser aus improvisierten Wasserbrunnen, und nur 3 von 10 Kindern haben Zugang zu angemessenen Sanitäranlagen (João & Handem, 2011).

Recht auf Identität

Laut Bürgerlichem Gesetzbuch aus dem Jahr 1967 ist die Geburtenregistrierung gesetzlich verpflichtend. Kinder können laut Gesetz bis zu 30 Tage nach der Geburt registriert werden. Im Jahr 2011 gab es eine Gesetzesänderung, durch die es ermöglicht wurde, Kinder bis zum Alter von 8 Jahren zu registrieren.

Wenn die Kinder älter sind, wird eine Strafgebühr fällig. Es gibt verschiedene Hindernisse für die Geburtenregistrierung, wie z.B. mangelnder Zugang, die Dokumentierung und Kosten. Auch der Registrierungsprozess ist eine Herausforderung, da die Identifizierung der Eltern des Kindes verpflichtend ist.

In einigen Fällen, z.B. wenn die Kinder mit Fehlbildungen geboren werden, wollen die Eltern keine Verantwortung dafür übernehmen und entscheiden sich deswegen dafür, ihr Kind gar nicht zu registrieren. Seit 2019 erhöhte sich die Registrierungsrate für Kinder unter 5 Jahren auf 46 %. Dies ist ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu den 24 % registrierter Kinder zwischen 2010 und 2014 (UNICEF, 2021). 

Risikofaktoren Länderspezifische Herausforderungen

Kinderhandel

Guinea-Bissau ist sehr stark von Kinderhandel betroffen. Kinderhandel findet häufig mit Talibé statt. Das sind Kinder, die in Nachbarländer in Westafrika geschickt werden, von denen man glaubt, dass sie eine bessere religiöse Erziehung bieten. Traditionell denkende Familien und Gemeinschaften glauben, dass es wichtig ist, ihre Kinder in Koranschulen zu schicken. Talibé aus Guinea-Bissau, die Medresen (Koranschulen) besuchen, sind am anfälligsten für Kinderhandel, Misshandlungen und Ausbeutung (Redazione, 2020).

Die Mehrheit der Koranschulen, die sich vor allem im Osten von Guinea-Bissau befinden, sind Internate. Die Kinder leben in prekären Verhältnissen: Sie werden gezwungen zu betteln oder in der Landwirtschaft zu arbeiten. Viele Eltern schicken ihre Kinder auf ähnliche Schulen in Nachbarländern wie Gambia oder den Senegal. Stand 2018 leben ungefähr 120.000 Talibé im Senegal.

Diese Kinder sind nirgendwo registriert, haben keine Geburtsurkunden oder offiziellen Status, was sie anfällig für Ausbeutung, Kinderhandel, Missbrauch und Staatenlosigkeit macht (UNICEF, 2021). Dieses Phänomen ist besonders in den Regionen Gabu und Bafata verbreitet und wird dort als Vorwand genutzt, um Kinder zum Betteln, in die Kinderarbeit oder zu sexuell ausbeutenden Tätigkeiten zu zwingen. Die Kinder bekommen wenig essen, schlafen oft auf der Straße und tragen zerrissene Kleidung (Redazione, 2020). 

Die Jungen Guinea-Bissaus werden oft als Kinderarbeiter in der Landwirtschaft oder im Bergbau im Senegal eingesetzt, vor allem in den Städten Kolda und Ziguinchor im Süden des Landes. Sie werden gezwungen, bei der Cashew-Ernte zu helfen, zu betteln oder Tätigkeiten auf der Straße, wie Schuheputzen, zu verrichten. Im Gegensatz dazu geht es bei der Ausbeutung von Mädchen aus Guinea-Bissau um ihren Einsatz als Kinderarbeiterinnen im Straßenverkauf und als Hausmädchen.

Sie werden in Guinea, Gambia und im Senegal eingesetzt und sogar als Kinderarbeiterinnen nach Spanien geschmuggelt. Zusätzlich zur Kinderarbeit sind Mädchen häufig von Menschenhandel zu sexuellen Zwecken betroffen oder werden gezwungen, als Modells oder Prostituierte in Bars, Nachtclubs und Hotels in Guinea-Bissau und anderen Ländern zu arbeiten. Sowohl Mädchen als auch Jungen sind von Kindersextourismus auf dem Bissagos-Archipel betroffen. Diese Inselgruppe entlang der Küste Guinea-Bissaus gibt es keine ordentlichen Strafverfolgungsbehörden (US Department of State, 2021).

Als Reaktion auf diese Probleme ergänzte die Regierung das Kinderschutzgesetz im Februar 2019, um es so an internationales Recht anzugleichen. Die Änderungen müssen jedoch noch offiziell angenommen werden (US Department of State, 2021).

Kinderarbeit

Kinderarbeit ist weit verbreitet und tief verwurzelt in der Gesellschaft des Landes. Kinder sind für die Lebensmittelsicherheit ihrer Familien verantwortlich. Von Kindern unterschiedlichen Alters wird erwartet, dass sie bestimmte Aufgaben übernehmen, die in kultureller Hinsicht als gesellschaftliche Bildung betrachtet werden. Es wird angenommen, dass Kinder durch verschiedene Aufgaben lernen, wie man mit der Umwelt umgeht, wie man sich um Land und Vieh kümmert und wie man natürliche Ressourcen schützt. Dadurch führen die Kinder die Berufe ihrer Vorfahren nach den Regeln der Gemeinschaft weiter (João & Handem, 2011).

Nach Allgemeinem Arbeitsgesetz ist es über 14-Jährigen erlaubt, einer bezahlten Arbeit nachzugehen, wenn diese ihre schulischen Leistungen nicht beeinträchtigt. Außerdem dürfen Kinder nicht nachts arbeiten. Trotz dieser Regelungen gehen Kinder im ganzen Land häufig einem Job nach, um die eigene Familie zu unterstützen und die finanziellen Probleme ihrer Eltern zu verringern.

Mädchen arbeiten zum Beispiel typischerweise schon in jungen Jahren als Hausmädchen. Auch Jungen arbeiten schon im frühen Teenageralter in Webereien im Senegal und in Gambia. Die Familie erleichtern und fördern Kinderarbeit oft, indem sie Arbeit für ihre Kinder finden, um so das Haushaltseinkommen zu verbessern (UNICEF, 2021).

Es gibt im allgemeinen deutliche Unterschiede zwischen den Erfahrungen von Mädchen und Jungen, wenn es um Kinderarbeit geht. Mädchen arbeiten in der Regel länger und häufiger als Hausmädchen. Jungen müssen oft körperliche Arbeit verrichten. Talibé-Jungen werden besonders häufig in der Landwirtschaft, bei Reparaturarbeiten, in Sägewerken und in Tischlereien eingesetzt.

Missbrauch

Die Anwendung körperlicher Gewalt und die Prügelstrafe sind in den Schulen Guinea-Bissaus weit verbreitet. In den animistischen Gemeinden ist Gewalt gegen die „Irá-Kinder vorherrschend. Man nimmt an, dass diese Kinder die Wiedergeburt böser Geister und Symbol für Hexerei sind, weswegen sie von der Gemeinschaft ausgegrenzt und verteufelt werden. Oft handelt es sich um Zwillinge, Kinder mit Behinderungen, Albino-Kinder oder Kinder mit psychologischen Problemen, die Opfer von Gewalt und im schlimmsten Fall von Infantizid werden (UNICEF, 2021).

Im Moment gibt es keine von der Regierung unterstützten Unterkünfte, die diesen Kindern Schutz bieten. Nichtregierungsorganisationen, kommunale Einrichtungen und religiöse Gruppen bieten die wenige Unterstützung, die verfügbar ist (UNICEF, 2021).

Geschlechtsspezifische Ungleichheiten und Diskriminierung

Guinea-Bissau hat eine zutiefst patriarchalische Gesellschaftsstruktur, die zu einer geschlechtsspezifischen Voreingenommenheit beim Zugang zu Ressourcen führt. Junge Frauen und Mädchen sind direkt betroffen von den von Männern dominierten Rollen innerhalb der Gesellschaft, sodass sie anfälliger für Armut, Kinderheirat und weibliche Genitalverstümmelung (FGM) sind und die Schule früher abbrechen (UNICEF, 2021).

Kinder mit Behinderungen haben die meisten Nachteile in Guinea-Bissau. Ihre Bedürfnisse werden in den Familien, Schulen, sozialen Einrichtungen und im Gesundheitswesen nicht berücksichtigt. Familien, die in Armut leben, sind nicht in der Lage, für die speziellen Bedürfnisse von Kindern mit Behinderungen aufzukommen, was deren schlechten Gesundheitszustand und Lebensbedingungen weiter verschlechtert. Wegen der politischen Instabilität im Land profitieren sehr wenige Kinder mit Behinderungen von Sozialleistungen und sozialem Schutz. Die Kindertötungsrate bei Kindern mit Behinderungen ist immer noch hoch, und die Durchsetzung der Gesetze dagegen ist weiterhin unzureichend, was zum Bestehen dieser verabscheuungswürdigen Praxis beiträgt (João & Handem, 2011). 

Kinderehe

Kinderehe ist weit verbreitet in Guinea-Bissau. Es besteht eine erhebliche Diskrepanz zwischen nationaler und internationaler Gesetzgebung im Bezug auf Kinderehe. Guinea-Bissau hat ein gemischtes Rechtssystem, das das Gewohnheitsrecht mit einschließt. Das macht die Situation noch komplizierter (UNICEF, 2021).

Laut Bürgerlichem Gesetzbuch aus dem Jahr 2008 dürfen Kinder unter 16 Jahren ohne die Erlaubnis der Eltern nicht heiraten. Auf nationaler Ebene gibt es jedoch keine Maßnahmen, die Kinderehen verhindern oder dieses Problem aufgreifen. Seit 2011 versuchen Entscheidungsträger im Bereich Kinderschutz, vorbeugende Maßnahmen umzusetzen, um das Problem der Kinderehe anzugehen und das Mindest-Heiratsalter auf 18 Jahre heraufzusetzen. Laut Gesetz können 16- und 17-Jährige mit Einverständnis der Eltern heiraten (UNICEF, 2021).

Dieses Gesetz steht im Widerspruch zum Maputo-Protokoll, das das Mindestheiratsalter bei 18 Jahren festlegt. Laut dem Gesetz zur Bekämpfung von häuslicher Gewalt aus dem Jahr 2013 können Eltern mit einer Gefängnisstrafe von bis zu 4 Jahren rechnen, wenn sie ihre Kinder zur Heirat zwingen.

Weibliche Genitalverstümmelung (FGM) 

Gefährliche kulturelle Praktiken, die sowohl Jungen als auch Mädchen betreffen, sind in ländlichen Gebieten Guinea-Bissaus weit verbreitet. Weibliche Genitalverstümmelung (FGM) wird von traditionellen und religiösen Führern als gängige Praxis angesehen, um Mädchen rein zu halten, damit sie ehrbare Ehefrauen werden. Bis heute mussten sich 400.000 Frauen und Mädchen der weiblichen Genitalverstümmelung unterziehen. 52 % dieser Frauen und Mädchen sind zwischen 15 und 49 Jahre alt und kommen hauptsächlich aus der Region Gabu, wo 96 % der Frauen von weiblicher Genitalverstümmelung betroffen sind, und aus der Region Biombo (8 %) (UNICEF, 2021). Seit 2011 verbietet das Bundesgesetz 14/2011 jede Form von weiblicher Genitalverstümmelung (28 Too Many, 2021).

Ökologische Herausforderungen

Laut einer aktuellen umfassenden Analyse der Auswirkungen des Klimawandels auf Kinderrechte, die von UNICEF im Rahmen des Klima-Risiko-Index für Kinder (CCRI) durchgeführt wurde, gehört Guinea-Bissau zu den 4 Ländern, in denen Kinder am stärksten von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind. Guinea-Bissau liegt auf Platz 6,4 bei Klima und Umweltfaktoren und auf Platz 9,5 für Verwundbarkeit von Kindern. Der CCRI besteht aus 2 Säulen: zuerst die Anfälligkeit von Kindern für klimatische Veränderungen und Veränderungen der Umwelt, und zweitens die Verwundbarkeit von Kindern (UNICEF, 2021).

Wegen seiner geographischen Lage an der Küste sind Fluten, Dürren und Starkregen eine immer wiederkehrende Gefahr. Bei starken Regenfällen steigt der Meeresspiegel in 70 % der Küstenregionen Guinea-Bissau an. Als Folge der Dürren gab es einen Anstieg bei den Meningitis-Fällen und anderen epidemischen Krankheiten und Infektionen. Überschwemmungen erhöhen das Risiko für Krankheiten, die über das Trinkwasser übertragen werden (World Bank, 2021).

Geschrieben von Vanessa Cezarita Cordeiro

Übersetzt von Katharina Haas

Korrigiert von Katrin Glatzer

Zuletzt aktualisiert am 9. September 2021

Referenzen:

28 Too Many. (2021). ¨Guinea-Bissau FGM prevalence.¨

BBC Monitoring. (2020, March 2). “Guinea-Bissau country profile.”

Borgen Project. (2021, January 4). “Challenges in education in Guinea-Bissau.”

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IOM. (2018, March). “Guinea-Bissau.”

João, S. Handem, Jr. (2011, January). “Alternative report on the implementation of the United Nations Child Rights Convention in Guinea-Bissau.”

Mendes, L. (2020, August 27). ¨Child marriage kills dreams in Guinea-Bissau.¨

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Rafaeli, T., & Hutchinson, G. (2020, June 8). ¨The secondary impacts of COVID-19 on women and girls in Sub-Saharan Africa.¨

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 World Bank. (2020, July 15). “The World Bank in Guinea-Bissau.”

World Bank. (2021). ¨Guinea-Bissau.¨ Climate change knowledge portal.


[1] Dieser Artikel ist kein umfassender oder repräsentativer Bericht über den Status der Kinderrechte in Guinea-Bissau. Eine der Herausforderungen in Guinea-Bissau ist die Tatsache, dass es wenige aktuelle Informationen über die Kinder Guinea-Bissaus gibt. Viele der vorhandenen Informationen sind nicht verlässlich, nicht repräsentativ, veraltet oder einfach nicht vorhanden.