Kinder in Kriegen

Krieg ist in der heutigen Realität leider nichts Neues mehr. Schätzungen zufolge leben derzeit über 400 Millionen Kinder in Ländern, in denen Kriege oder andere Arten von Gewaltkonflikten herrschen, und sind unverhältnismäßig oft blutigen und gewalttätigen Verbrechen ausgesetzt. Die Menschenrechte von Kindern sind stark gefährdet. Sie sind von der Wahrnehmung ihrer Grundrechte in besonderem Maße ausgeschlossen, da sie in Konfliktzeiten eine extrem gefährdete Gruppe darstellen.

Wichtige Definitionen

  • Ein Kind ist „jeder Mensch unter 18 Jahren“ (Konvention über die Rechte des Kindes: Kinderfreundliche Fassung).
  • Krieg ist ein „Phänomen organisierter kollektiver Gewalt, das entweder die Beziehungen zwischen zwei oder mehreren Gesellschaften oder die Machtverhältnisse innerhalb einer Gesellschaft beeinträchtigt. Krieg wird durch das Kriegsvölkerrecht geregelt“ (The Practical Guide to Humanitarian Law).
  • Ein internationaler bewaffneter Konflikt („IAC“=international armed conflict) „liegt vor, wenn ein oder mehrere Staaten gegen einen anderen Staat bewaffnete Gewalt anwenden, unabhängig von den Gründen oder der Intensität dieser Konfrontation“ (Internationales Komitee vom Roten Kreuz).
  • Nicht-internationale bewaffnete Konflikte („NIAC“=non-international armed conflict) sind „bewaffnete Konflikte, an denen eine oder mehrere nichtstaatliche bewaffnete Gruppen beteiligt sind. Je nach Situation können die Feindseligkeiten zwischen staatlichen Streitkräften und nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen oder nur zwischen solchen Gruppen stattfinden“ (Internationales Komitee vom Roten Kreuz).

Schutz vor bewaffneten Konflikten nach internationalem Recht 

Kinderrechtskonvention (UN-KRK)

Die Vertragsstaaten müssen sicherstellen, dass für Kinder relevante Regeln des humanitären Völkerrechts, die in bewaffneten Konflikten anwendbar sind, eingehalten werden. Sie müssen alle durchführbaren Maßnahmen ergreifen, um den Schutz und die Versorgung der von einem bewaffneten Konflikt betroffenen Kinder zu gewährleisten und sie müssen alles in ihrer Macht stehende Anstrengung unternehmen, um sicherzustellen, dass Personen, die das fünfzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht unmittelbar an Feindseligkeiten teilnehmen (UN-KRK, Art. 38).

Die Genfer Konventionen von 1949 (GK)

In Konfliktzeiten haben Kinder das Recht auf den Schutz ihres kulturellen Umfelds, ihrer Bildung und der Ausübung ihrer Religion (GK Art. 24 und 50). Sobald die Feindseligkeiten ausbrechen, können die Konfliktparteien Krankenhäuser, Sicherheitszonen und -orte einrichten, um gefährdete Gruppen wie Kinder zu schützen (GK Art. 14). In besetzten Gebieten darf die Anwendung von Vorzugsmaßnahmen für Kinder in Bezug auf Nahrung, medizinische Versorgung und Schutz vor Kriegseinwirkungen nicht behindert werden, und Kinder unter achtzehn Jahren dürfen nicht zur Arbeit gezwungen werden (GK Art. 50 und 51).

Die Zusatzprotokolle von 1977 zu den Genfer Konventionen (Zusatzprotokoll „ZP“ I und II)

Das Zusatzprotokoll I zu internationalen bewaffneten Konflikten sieht den Schutz von Kindern vor jeder Form von unsittlichen Übergriffen vor und verbietet die Rekrutierung von Kindern unter fünfzehn Jahren in die Streitkräfte (ZP I Art. 77). Darüber hinaus genießen Kinder Schutzmaßnahmen wie Evakuierung, Versorgung und Hilfe, Schutz vor Angriffen und Schutz für verwundete Kinder, Verteilung von Hilfsgütern, Unterbringung bei ihren Familien und Erleichterung der Zusammenführung verstreuter Familien (ZP I Art. 8 und 70—78). Das Zusatzprotokoll II, das sich auf NIAC bezieht, bietet Kindern einen analogen Schutz (ZP II Art. 4 und 6).

Auswirkungen des Krieges auf die Grundrechte der Kinder

Recht auf Leben, Schutz und Freiheit

Seit 2014 werden jedes Jahr durchschnittlich 10.500 Kinder getötet (UNICEF, 2022). Zusätzlich zu dieser erschütternden Zahl wurden und werden Kinder sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart Opfer von großem Leid und von Verbrechen, die vom Militär in Konfliktzeiten begangen werden (UNICEF, 2022). Die Kinder werden also ihres Rechts auf Leben und auf Schutz vor Schaden und Ausbeutung beraubt.

Darüber hinaus wird ihr Recht auf Freiheit während der Konflikte verletzt. Einige Kinder werden entweder als Kindersoldaten, wegen „ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen Verbindung zu einer bewaffneten Gruppe“ oder wegen des fehlenden Zugangs zu „geeigneten Formen des Kinderrechts“ (Internationales Komitee vom Roten Kreuz) inhaftiert.

Recht auf Nahrung und auf Wasser

Viele Bestimmungen des humanitären Völkerrechts sollen gewährleisten, dass Personen oder Gruppen, die nicht oder nicht mehr an Feindseligkeiten teilnehmen, keine Nahrung vorenthalten werden darf (Jelena Pejic, 2001). In Konfliktzeiten können die Nahrungsmittel knapp werden und Hunger kann als Methode der Kriegsführung eingesetzt werden (Jelena Pejic, 2001). Ebenso kann die Beschränkung von sauberem Trinkwasser als Kriegswaffe eingesetzt werden oder Wasserknappheit drohen, wenn Wassertanks durch den bewaffneten Konflikt beschädigt werden oder verfallen (UNICEF, 2017).

Dies hat zur Folge, dass das Recht der Kinder auf Nahrung und Wasser auf alarmierende Weise behindert wird. Wenn Kinder sich nicht ausreichend ernähren und kein sauberes Wasser zu trinken haben, kann dies zu Unterernährung, tödlichen Krankheiten und einer Schwächung des Immunsystems führen (War Childhood Museum; UNICEF, 2017).

Recht auf Bildung

Bildung kann für Kinder während Konflikten ein echter Lebensretter sein, denn wenn sie sich nicht auf dem Schulgelände aufhalten, können sie leicht zur Zielscheibe von Missbrauch, Ausbeutung und Rekrutierung durch Streitkräfte werden (UNICEF). Schulen können jedoch absichtlich angegriffen, kollateral beschädigt oder für militärische Zwecke, als Unterkünfte für Vertriebene und zur illegalen Rekrutierung vor Ort genutzt werden (Internationales Komitee vom Roten Kreuz). Außerdem ist Kindern, die sich als Flüchtlinge in einem anderen Land aufhalten, nicht garantiert, dass sie Zugang zu einer angemessenen Bildung erhalten (Vereinte Nationen, 2019).

Recht auf Gesundheit

Der Mangel an Medikamenten, medizinischem Personal und angemessener Gesundheitsversorgung bei Konflikten kann die Ursache für einen Anstieg der Kindersterblichkeit und der Morbiditätsrate sein (War Childhood Museum). Angriffe richten sich auch gegen Krankenhäuser, medizinisches Personal und Patienten (Vereinte Nationen, 2013). Da Kinder noch wachsen und sich physisch und psychisch entwickeln, ist ihre Gesundheit „im Krieg ernsthaft gefährdet“ (War Childhood Museum).

Nicht nur wird ihr Recht auf Gesundheitsversorgung eingeschränkt oder ist nicht vorhanden, sondern auch die Schäden und Traumata, die durch konfliktbedingte Gräuel und Verbrechen verursacht werden, können möglicherweise nie beseitigt werden (Psychiatric Times, 2022).

Auswirkungen von Kriegen auf das tägliche Leben von Kindern

Opfer von Gewalt und grausamen Verbrechen

Kinder sind als Zivilisten und als Teil der schutzlosesten Gruppe im Kontext von Kriegen häufiger Zeugen und Opfer der äußerst grausamen Verbrechen, die in bewaffneten Konflikten begangen werden (War Childhood Museum). Kinder erleben aus erster Hand die verschiedenen Verbrechen, die von Streitkräften begangen werden, angefangen von Folter und Verletzungen, die Kindern zugefügt werden, bis hin zu Mord (UNICEF, 2022).

Darüber hinaus sind sie der Gefahr ausgesetzt, durch Landminen und Sprengstoffe verletzt oder getötet zu werden (UNICEF USA). Weitere schwere Verbrechen, denen Kinder in bewaffneten Konflikten ausgesetzt sind, sind Missbrauch, Entführung, Ausbeutung, Kinderhandel, Vergewaltigung und andere Formen der sexuellen Gewalt (UNICEF).

Rekrutierung als Kindersoldaten

Entführte oder zwangsrekrutierte Kinder können zu Kindersoldaten gemacht werden. Ein Kindersoldat ist „jede Person unter achtzehn Jahren, die von einer bewaffneten Kraft oder bewaffneten Gruppe in irgendeiner Eigenschaft rekrutiert oder eingesetzt wird oder wurde, einschließlich, aber nicht beschränkt auf Kinder, Jungen und Mädchen“ (The Paris Principles, 2007).

Kinder werden gezwungen, „an der Front zu kämpfen, an Selbstmordmissionen teilzunehmen und als Spione, Boten oder Späher zu fungieren“ (Human Rights Watch, 2013). Darüber hinaus können sie auch zwangsweise als Köche, Sexsklaven oder Selbstmordattentäter eingesetzt werden (Büro des Sonderbeauftragten des Generalsekretärs für Kinder und bewaffnete Konflikte).

Waisenkinder und vertriebene Kinder

Kinder können auch unter den Nebeneffekten von Konflikten leiden, wie dem Verlust oder der Trennung von familiären Bindungen und ihrer internen oder externen Vertreibung (UNICEF, 2022). Isoliert oder getrennt von ihren Familienmitgliedern oder Bezugspersonen sind Kinder noch stärker von Missbrauch, Ausbeutung, Gewalt und der Rekrutierung als Kindersoldaten bedroht (Internationales Komitee vom Roten Kreuz).

Zusätzlich zu diesem Bruch in ihrem Leben können sie gezwungen sein zu fliehen, entweder innerhalb des Landes oder in andere Länder, um dem bewaffneten Konflikt zu entkommen. Als Vertriebene oder Flüchtlinge sind Kinder stärker gefährdet, „schwere Armut, Missbrauch, Ausbeutung und psychosoziale Not zu erfahren“ (Better Care Network).

Präventiv- und Schutzmaßnahmen für Kinder im Krieg

Sowohl die körperliche als auch die geistige Unversehrtheit von Kindern wird in Zeiten bewaffneter Konflikte schwer beeinträchtigt und verletzt. Aus diesem Grund ist die wirksamste Präventionsmaßnahme, um allen Kindern ein sicheres Leben zu garantieren, die Verhinderung bewaffneter Konflikte. Wenn eine Friedenssicherung jedoch nicht möglich ist und es zu einem bewaffneten Konflikt kommt, müssen Kinder von einer Vielzahl von Schutzmaßnahmen profitieren können.

Die Staaten und die internationale Gemeinschaft müssen sich mit absoluter Priorität um die Bedürfnisse der Kinder und den Schutz ihrer grundlegenden Menschenrechte kümmern. Aus diesem Grund sollten die folgenden Maßnahmen gefördert und unterstützt werden:

  • Schutz aller Kinder vor schwerwiegenden Verletzungen, die in Zeiten bewaffneter Konflikte begangen werden (UNICEF, 2022). Dazu gehört unter anderem die Verhinderung von Tötung, Rekrutierung von Kindersoldaten, Inhaftierung, Vergewaltigung und anderen Formen sexueller Gewalt, Entführung von Kindern (UNICEF, 2022). Das Recht der Kinder auf Leben, Schutz, Freiheit, Nahrung, Wasser, Bildung und Gesundheit muss jederzeit gewährleistet und geschützt werden.
  • Gewährleistung, dass Schulen, Krankenhäuser und andere zivile Gebäude weder als Mittel der Kriegsführung noch als Kollateralschaden angegriffen werden (UNICEF, 2022). 
  • Erleichterung der Familienzusammenführung (UNICEF, 2022).
  • Sorgfältige Beobachtung von Kindern in Konfliktzeiten, um besser reagieren und humanitäre Hilfe leisten zu können (UNICEF, 2022).
  • Mit allen Konfliktparteien zusammenarbeiten, um „Aktionspläne zu entwickeln und Kinder nachhaltig zu schützen“ (UNICEF, 2022).

Verfasst von Moïra Phuöng Van de Poël

Intern korrigiert von Aditi Partha

Übersetzt von Jana Wegener

Korrigiert von Jana Ruf

Zuletzt aktualisiert am 18. Juni 2023

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